Soundgarden – Live from the Artists Den
Knapp drei Jahre nach dem immer noch irreal erscheinenden, schmerzhafte Lücken hinterlassenden Ableben von Chris Cornell veröffentlichen Soundgarden mit Live from the Artists Den einen umfassenden Mitschnitt einer Show der Band vom 17. Februar 2013 im Wiltern Theatre, Los Angeles.
Der ist alleine in seiner ausufernden Form – 29 Songs über knapp zweieinhalb Stunden, erhältlich vom Blu Ray-Format über die vierfach LP bis hin zur glamourösen Box – zuallererst an die Hardcore-Fraktion der weltweiten Fanriege gerichtet, und wird diese auch inhaltlich zufrieden stellen: Zum Tourabschluss des 2012er-Comebackalbums gibt es King Animal zwar beinahe zur Gänze, dazu aber eben auch nahezu alles, was aus der restlichen Diskografie von Soundgarden Hit-, Evergreen- und Klassikertechnisch dabei sei muss, dazu zahlreiche Deep Cuts (wie dem „a long ass fucking time“ nicht gespielten New Damage) sowie die Premiere des Basketball Diaries-Beitrages Blind Dogs.
Was dabei vor allem beeindruckt, ist die Nahtlosigkeit, mit der sich das versammelte Material aus allen Epochen ungeachtet seines Ursprungsdatums wie aus einem Guss aneinanderfügt, bis hin zum abschließenden Slaves & Bulldozers (samt In My Time of Dying-Verneigung) bzw. dem Outro namens Feedbackchanel ein absolut rundes Ganzes mit dynamisch bleibenden Spannungsbogen bildet.
Wo das nach Live on I-5 zweite Livealbum der Band quantitativ also geradezu plättend ausführlich überzeugt, bleiben auch qualitativ kaum Wünsche offen.
Die unpolierte, aber saubere Produktion ist effektiv. Die Performance sitzt perfekt, ist vielleicht etwas getragener, wo die Songs weniger wild und überschäumend attackierend gespielt werden, als in der Jugend von Soundgarden. „Maybe we played a little bit more conservatively because of the cameras and the lights“ mutmaßt Kim Thayil. Doch hört man hier eher die reifer denn je agierende Entwicklungsstufe einer früh formvollendeten Kombo. Diese kaum impulsiven, heavy aus der Mitte heraus kommenden Annäherung stehen dem versammelten Material (bis auf dem zu behäbig und träge anmutenden Taree). Weswegen Live from the Artists Den seine Highlights auch wie am Fließband liefert und dahinter Musiker zeigt, die merklich den proklamierten Spaß (an ihrem damals noch nicht abgeschlossen scheinenden Vermächtnis) zu haben scheinen.
Gerade Chris Cornell taut mit Fortdauer der Show immer weiter auf. „This live show was really special, and I know how much fun Chris had that night“ erinnert sich seine Witwe Vicky heute. Was man ihr ansatzlos glaubt.
Zwar mag Cornells Gesang vielleicht nicht immer vollends auf der Höhe sein – Jesus Christ Posse liegt beispielsweise sogar ziemlich brüchig neben der Spur. Allerdings ruft er dennoch eine stimmliche Klasse ab, die einem der größten Rocksänger aller Zeiten posthum nicht das Messer ins Kreuz rammt, ihm eher nahbare Ecken und Kanten gibt, ihn mit jeder Nummer charismatischer ins Rampenlicht des launisch-charmanten Frontmannes rückt.
Dann erzählt er etwa bei 4th of July amüsanten Hintergrundunsinn und ruft dazu auf, sich seine eigenen Lyrics-Interpretationen aus dem Prä-Internet-Zeitalter zu bewahren: „There’s no right or wrong!“ Er lobt schelmisch die Arbeit der anwesenden Kameramänner und gesteht, dass er wohl nicht für die Aufzeichnung des Artists Den-Formats zahlen würde, stiftet das Publikum später aber dennoch zu stimmungsmachenden Animationen an.
Besonders emotional gestaltet sich allerdings gerade rückblickend der Moment, wenn er Bones of Birds den Kindern aller Bandmitglieder widmet und Soundgarden mit einem unheimlich starken Comebackalbum in der Hinterhand auch in ihrem zweiten Leben vor einer verheißungsvollen Zukunft gestanden wären. Das war freilich knappe 15 Monate, bevor Chris Cornell sich das Leben nahm und Kim Thayil die Geschichte der Band im Oktober 2018 für beendet erklärte.
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