Soundgarden – King Animal
Nein, ‚King Animal‚ ist – natürlich – kein neues ‚Badmotorfinger‚ oder ‚Superunknown‚ geworden. Es ist aber ein überraschend fulminantes, der Historie der Grunge-Legende gerecht werdendes Comeback, dass in dieser Konsequenz wohl kaum mehr jemand Chris Cornell und Co. wirklich zugetraut hätte.
Nicht, weil außer dem mittlerweile alteingesessenen Pearl Jam Schlagzeuger Matt Cameron niemand aus der populären Soundgarden-Besetzung seit ‚Down on the Upside‚ wirklich Erwähnenswertes zustande gebracht hat – Audioslave hin, die No WTO Combo her – und Ausnahmesänger Cornell nicht zuletzt mit der 2009er Untat ‚Scream‚ sogar dem Faß des Fremdschämens den Bogen ausgeschlagen hat. Sondern, weil die Soundgarden-Rückkehr mit dem Mammut-Best-of ‚Telephantasm‚ nach dem Abschied mit dem Best-of ‚A-Sides‚ alles andere als einen vom fahlen Beigeschmack der reinen Geldmache befreiten Eindruck hinterließ, welcher von teuren Ticketpreisen nur noch befeuert wurde. Und ‚Live to Rise‚ als Zugpferd des lahmenden ‚The Avengers‚ Soundtracks – nicht mehr als ein inspiriertes Lüftchen, handzahm und eingeschüchtert; ‚Live on I5‚ dazu nur das neuerliche Aufwärmen alter Großtaten. Für ‚King Animal‚ (nach dem ähnlich glorreich ausgefallenen ‚Black Gives Way to Blue‚ von Alice in Chains die zweite mögliche, durch und durch gelungene Rückkehr einer der vier großen Seattle Grunge-Bands) ist die wenig zuversichtlich stimmende Vorgeschichte zwar nicht vollends aus dem Hinterkopf verschwunden aber irgendwo auch schlicht egal – weil Soundgarden mehr oder minder nahtlos dort anzusetzen versuchen, wo sie mit ‚Down on the Upside‚ aufgehört haben; weitestgehend erfolgreich.
Obwohl mit ‚Been Away Too Long‚ eine der wenigen Schwachstellen als ungünstige Begrüßung fungiert, etwas platt die notwendige Rückkehr der Band erklärt (nein, Cornell ist noch immer kein großer Lyriker geworden) und dreist bei Velvet Revolver’s ‚She Builds Quick Machines‚ abkupfert, ist die Marschrichtung sofort klar: technisch ist das über jeden Zweifel erhaben und groovt mitreißend ohne Ende, hat tonnenschwere Gitarren, und behende Rhythmen walzen über klassische Melodien. Spätestens mit ‚Non-State Actor‚ hauen Soundgarden ihren ersten neuen waschechten Hit aus dem Ärmel, mit düsterem Orgelklängen unterbuttert und einem Thayil, der hinten raus seine Klasse unter Beweis stellen dar. Gleich darauf inszeniert sich das Quartett im monströs kickenden Stackato-Stoner-Rocker ‚By Crooked Steps‘ als naheliegendste Neuzeitvariante von Led Zeppelin. Ein Vergleich, der sich immer wieder aufdrängt: etwa, weil Chris Cornell sich wieder Eier hat wachsen lassen, die beste Gesangsleistung seit einer halben Ewigkeit abliefert – und dabei natürlich beinahe alles vom goldenen Gott Robert Plant gelernt hat -, aber auch, weil die meditative Psychedelik von behende schwingenden Stücken wie ‚A Thousand Days Before‚ direkt von ‚Houses of the Holy‚ stammen könnte und der epische Schlußpunkt ‚Rowing‚ gleich noch weiter in die Gefilde von Jimmy Page und Co. führt.
‚Blood On The Valley Floor‚ ist ein klassisch schwerer Metal-Blues, wie ihn nur Soundgarden hinbekommen, dass das zurückgenommene, auch als Cornell-Solostück funktionierende ‚Bones Of Birds‚ dynamisch Anleihen an Diamond Head’s ‚Starcrossed‚ nimmt, ist nicht weiter schlimm, weil den wiedervereinigten Zweckpartnern doch der hymnischere Refrain eingefallen ist. Trotzdem nimmt sich ‚King Animal‚ zur Mitte hin stark zurück, ‚Attrition‚ bleibt ein ereignis- und bissloser Alibirocker für den Highway, so schnell vergessen, wie er tatsächlich wieder vorbei ist. Besser ist da schon ‚Taree‚, ein Brocken, der nie wirklich aus seiner schwerfälligen Haut will, egal wie viele Tempiwechsel Matt Cameron auch ausprobiert. Noch reduzierter ‚Black Saturday‚, für das Soundgarden einen wilden Jamritt rund um das wärmende Lagerfeuer veranstalten und dabei eine psychedelische Ballade finden, die als entspannter Zwilling zu Kyuss‘ ‚Space Cadet‚ in die Psychose schielt. Die Dramatik greift ‚Halfway There‚ als astreine Cornell-Popnummer nur bedingt auf, ist beinahe zu gefällig und versöhnlich, verschafft dem stets so stringenten ‚King Animal‚ jedoch auch eine verdiente Verschnaufpause.
Zum Ende hin ziehen Soundgarden die Zügel wieder straffer, ‚Worse Dreams‚ streift als widerspenstiges Biest zwielichtig um seine rockigen Riffs und wildwuchernden Ausläufer, der monströse Chorus von ‚Eyelids Mouth‚ setzt die Band-Gemeinschaft melodiös und hochinfektiös in Szene, der Inspirationsfluss ist definitiv nicht versiegt. Der monolithische Schlußpunkt ‚Rowing‚ hätte sich als maschineller Blues-Stomper wohl auch auf Mark Lanegans letzter Soloplatte fabelhaft gemacht, hier bringt er noch einmal alle Vorzüge einer wieder erstarkten Legende auf den Punkt – angefangen beim sensationell druckvollen Klangbild (wieder wunderbar vielschichtig produziert von Adam Kasper) über die gnadenlose Versiertheit an den Instrumenten bis hin zum geschmiert laufenden Songwriting. ‚King Animal‚, eine Leistungsschau ohne Ermüdungserscheinungen. „Promise something/ kill me right away/ if I start to get slow“ fleht Cornell, „Stopping is dying/ You’ll be alright“ heißt die Predigt anderswo. Das sechste Soundgarden-Album hat es sich 16 Jahre nach dem letzten zum Mantra erhoben, permanent beweisen zu wollen, dass diese Band noch etwas zu sagen hat, die Reunion auch abseits oder trotz blinkender Dollarzeichen einen Sinn ergeben hat. Eine Rechnung, die aufgeht -, Soundgarden schaffen den Spagat zwischen wackeliger Integrität und künstlerischer Qualität mit einem zeitlos in den 90ern verankerten Rockbiest. Wer hätte damit noch vor wenigen Monaten schon ernsthaft gerechnet? Chapeau!
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