Sophia Blenda – Die Neue Heiterkeit
Kammermusikalisch reduzierter, formoffener Ambient-Pop im Darkwave-Zwielicht: Culk-Frontfrau Sophie Löw ist Sophia Blenda – und ihr Solodebüt Die Neue Heiterkeit ein am Piano erdachtes Stück melancholischer Poesie, ziemlich wahrhaftig.
Schon Culk (2019) und Zerstreuen Über Euch (2020) forcierten eine Auseinandersetzung der (eigenen) Verortung. Die Neue Heiterkeit treibt diese Thematik in einem intimeren Rahmen gewissermaßen allerdings noch weiter, wenngleich über eine phasenverschobene Diskrepanz: die 32 Minuten der Platte reflektieren äußere Eindrücke als befindlichkeitsehrliche Innenansichten, tragen den Kampf gleichermaßen mahnend in die Welt und zärtlich in sich hinein; sie pflegen die lyrische Abstraktion, ohne dabei ein mystisches Geheimnis aus der eigenen Haltung und klaren Linie zu machen; sie sind ebenso physisch eindringlich wie körperlos meditativ, wirken so minimalistisch und aufgeräumt, obwohl es tatsächlich so viele inszenatorische Details geben kann; sie erzeugen eine intrinsische, konzentrierte Kraft und wirken manchmal doch so fragil und einsam wandernd, als könnte ein wehmütiger Windhauch sie hinwegtragen.
Sorgen sind dabei oft der Motor, aber niemals ist der daraus resultierende Ausdruck Angst. Denn das alles ist keine unbestimmte Ziellosigkeit – sondern eine faszinierende Reibung, die in die Arme nimmt und in die Tiefe wirkt, Stärke in der Verletzlichkeit zeigt, Dinge wegnimmt, um mit dem Gewicht der vermeintlichen Leere umso heftiger zu bewegen.
Aus der warmen Dunkelheit geboren sinniert Wo bleib ich über der sanften Entschleunigung eines ruhigen und orchestral anmutenden Synth-Wellengang. Elegisch und melancholisch pulsiert im Hintergrund eine Blade Runner-Ästhetik, verdichtet sich, bleibt subversiv zurückhaltend und gibt die einsame, isolierte Ästhetik der Platte vor. Im ein dramatisch verhaltenes Klavier zum Rückgrat machenden Wie laut es war geht ein beschwörender Chorus auf zahlreiche, eine mysteriöse Elektronik verziert eine bildhafte Cinematografie, wo die Elemente im Hintergrund erst wie unheimliche Field Recordings anmuten, dann einen Beat simulieren, sinfonischer arrangiert greifen – beinahe, als hätte Lana Del Rey Alpträume von Soap&Skin. Fun pocht zum pastoral gemalenen Piano, legt die anfängliche hintergründige Dringlichkeit irgendwann geradezu unbemerkt ab, ohne an Sogwirkung zu verlieren, steigt mit erhebender Geduld über die Skyline einer dystopischen Stadt und hat auf zurückhaltende Weise etwas episches. Mehr noch: Die Songs wirken wie hier, als wären sie die einzige Quelle der Wärme, eine tröstende Lichtquelle in einer ansonsten kalten Welt. Dazu gönnt die 26 jährige Wienerin in der Schere aus der introspektiv traurig reduzierten Form und dem Inhalt einen schmerzvoll labenden Appendix.
Fear Is an Empty Space (ausnahmsweise mit einem Titel, der nicht das Gegenteil davon verspricht, was er gebiert) sinniert im Hall über einem Kopfkino-Überbau und wehenden Tasten – denn die grandiose Produktion der Platte fesselt exemplarisch wie ein vielschichtiges Ambient-Kammerspiel – und das Highlight BH ist eine erhabene, majestätische Ballade. Mehr noch, ein schwelgender Ohrwurm ohne inszenatorisches Brimborium, zumal die etwas gestelzten, aber immer wundervoll unplakativen Texte auf eine fast pragmatische Weise zu denken geben: eine elegische Anklage, aufwühlende Intensität und lethargische Trance.
Ähnlich grandios das wohlige Hysteria, bevor Ties mit zurückhaltenden Beats fragmentarischen Elektro-Pop an der Schnittstelle zum Trip-Hop skizziert, kurz in verschwommene Erinnerungen an James Blake und den hedonistischen Club eintaucht, dabei wie ein unbestimmtes Interlude auf der wie aus einem Guss fließenden Platte agiert, die zwischen englischer und deutscher Sprache außerdem so natürlich wechselt, wie die Stimme von Löw wie schon bei Culk auch als instrumentale Facette zu verstehen ist.
Schwester könnte in einer anderen Realität ein Hybridwesen aus dem Erbe von Sia und Ex:Re sein, so zurückhaltend, dass kaum etwas zu passieren scheint, bis die Nummer in einen schwofend-torkelnden Jazz-Blues-Keller zu Jungstötter absteigt. Der Titelsong schließt den Kreis danach kohärent, führt die homogenen Dynamiken des Songwritings trotz einer wallenden Hook mit subversiver Hand vor: „Kleine Schwestern werden große Schwestern sein“. Diese neue Heiterkeit, sie ist also keineswegs wirklich heiter, jedoch als heimliche Katharsis voller Leidenschaft eben auch nicht ohne faszinierender Hoffnung.
Leave a Reply