Sonic Youth – In/Out/In
Sonic Youth leeren seit einiger Zeit gewissenhaft ihre Archive, überwiegend via Bandcamp. Die auch physisch veröffentlichte Compilation In/Out/In versammelt nun fünf in den Jahren 2000 bis 2010 aufgenommene Fundstücke.
Jede der fünf Nummern von In/Out/In wurde bereits in der Vergangenheit auf unterschiedlichen Wegen veröffentlicht, drei Songs erschienen zuletzt gar zusammen erst wieder im Rahmen der 2020 hochgeladenen (und mittlerweile von Bandcamp verschwundenen) Compilation Rarities 3.
Sie nun gemeinsam in dieser Form zu bündeln ergibt dennoch Sinn, zumindest hinsichtlich der stilistischen Kohärenz, zeigen die versammelten 45 Minuten die legendäre New Yorker Band hier doch (überwiegend rein instrumental gehalten) in ambienter Wirkungsweise, als Meister der strukturoffenen Avantgarde-Improvisation entlang des experimentellen Noise-, Kraut- und Post-Rock: Sonic Youth, wie sie mit geschlossenen Augen über ihre Instrumente kommunizieren und sich in die dabei entstehende Welt verlieren.
Das eröffnende Basement Contender stammt von 2008 aus den The Eternal Sessions, man konnte es sich via Mixtape #7 seinerzeit von der Bandwebsite laden, und davon begeistert sein, wie ansatzlos Sonic Youth im Jam fesseln, den Hörer sofort einspannen. Die verspielte, unaufgeregte Träumerei schwelgt mit ihren nostalgischen Gitarren plingend und perlend, schrammend und schwurbelnd, um ein immer mal wieder fokussierter vobeitreibenfes Motiv catchy greifbar zu machen und danach zwanglos in den Raum entlassend flanieren zu lassen – ganz leichtfüßig über der so relaxten wie unmissverständlich konturierenden Rhytmussektion. Da ist einfach so viel Gefühl und Atmosphäre im Spiel, dass man der erfüllenden Ziellosigkeit ewig folgen könnte, ohne das Interesse zu verlieren oder die Aktionen der Band in den Hintergrund der Wahrnehmung schwinden zu sehen.
Das bei einem Soundcheck in Pomona aufgenommene und 2010 in Hoboken vervollständigte In & Out setzt diese Reise fort, galoppiert behutsam durch den sphärischen Spacerock, während Kim Gordon ausnahmsweise elegisch am Mikrofon rezitiert, fantasiert.
Machine stammt ebenfalls aus den The Eternal Sessions (und war ursprünglich ein MP3 Bonus Track des „Buy Early Get Now“-Programms von Matador Records), schrammelt aber in kompakte Strukturen gebracht konventioneller ausgelegt, griffiger, und auch weniger faszinierend – mittig positioniert als Schwerpunkt der Platte aber durchaus gedankenvoll platziert.
Zumal In/Out/In die Zügel danach wieder lockert. Das 2000 für den gleichnamigen Film von Chris Habib entstandene Social Static (das einst ebenfalls als Gratis-Download auf sonicyouth.com zu finden war) ist ein mäanderndes, minimalistisches Experiment aus Drone-, Noise- und Feedback-Versatzstücken, in dessen (zu langem, zwölfminütigen minütigen) Verlauf sporadisch ein Uhu vorbeischaut, bevor (das aus dem selben Jahr stammende) Out & In als zweiter Abstecher in die Jim O’Rourke-Phase wieder legerer veranlagt den Bogen zum Beginn der Platte findet – allerdings in etwas bedrohlicher und dunkler. Kurz köchelt die Spannung zudem auf, bleibt aber antiklimatisch, faucht biestig heulend und zieht das Tempo zur flott rockenden Kakophonie an.
Insofern holt sich In/Out/In wertungstechnisch (wegen eines subjektiv weniger starken Mittelteils) zwischen den Punkten liegend zwar auch deswegen die Aufrundung, weil man die Sehnsucht, noch einmal neues (…) Material dieser so schmerzlich vermissten Band entdecken zu können, einfach nicht ganz ausklammern kann. Selbst komplett nüchtern betrachtet ist dieses Paket aber kein Methadonprogramm, sondern ein feines Geschenk für Fans – gerade, wenn man die weniger songorientierte, ambiente Ader von Sonic Youth erforschen will.
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