Sonhos Tomam Conta – Insolação

von am 23. August 2022 in EP

Sonhos Tomam Conta – Insolação

2021 hat das Split-Triple Downfall of the Neon Youth auch der Brasilianerin Lua Viana – beziehungsweise sonhos tomam conta – einen immensen Popularitätsschub beschert. Die EP Insolação soll darauf aufbauend nun einen Ausblick auf das dritte Studioalbum des Projekts geben.

Mit einer über das Internet verbundenen Szene sind es gute Zeiten für eine neue Welle an Emo-Bands, die aus dem Schlafzimmer kommend den Ethos des Shoegaze mit noisigem DIY-Sound zwischen Pop und Rock zelebrieren, und dabei auch dank Bandcamp einen atemlosen Veröffentlichungsrhythmus an den Tag legen, der sich nicht mit Vinyl-Engpässen oder Marketing-Strategien auseinandersetzen muss. Das weiß spätestens seit dem vergangenem Jahr auch sonhos tomam conta, deren Reverb-schwangerer, eine krachige Melange aus scheppernden Drums, androgyn gepitchten Stimmen (die in ihrer manchmal zu eindruckslosen Gangart immer noch die relative Schwachstelle darstellen), schiefen Gitarren und nervösen Synthies anrührender Spagat einen zeitaktuellen Trend zu treffen scheint.
Kein Wunder insofern wahrscheinlich, dass sich Insolação (dem Artwork durchaus adäquat folgend) grundlegend optimistischer und euphorischer zeigt als der bisherige Output von Viana. Andererseits bleibt abseits der markanten, sofort charismatisch in ihren Bann ziehenden wenngleich kaum originären Ästhetik aus rein kompositioneller Sicht trotzdem wenig verbindliches hängen.

corpos gelados, manhãs de sol stemmt sich aus dem Ambient kommend in neon-übersteuerte Verstärker-Welten mit asiatischer Prägung, galoppiert dann eilig im diffus zerfahrenen Sound über ein Punkrock-Gerüst, das so wohl auch Rise Against gefallen würde, derweil sonhos tomam conta jedoch eher einen psychedelisch rauschenden Dreampop forciert. Später taucht die Nummer noch einmal schimmernde an, um im gedrosselten Tempo des ADHS-Chaos sogar den Pop und Jungle-Drum-ans-Bass zu streifen.
Danach aber scheinen das Songwriting, die Performance und die Inszenierung deutlicher in sich zu gehen, unaufgeregter zu werden, und die melodischen, ruhigeren Amplituden des Spektrums zu forcieren. Das tut der Platte gut.

Das melancholisch-nostalgische sleep paralysis betört verwaschen, flirtet als bittersüßes Duett mit sich selbst so kontemplativ wie nachdenklich im Blackgaze als schön gefühlvolles, balladeskes Schwelgen ohne Black-Elemente, derweil nothing’s gonna hurt you anymore den scheppernden Noise Rock als Dream Pop Plätschern lässt, andersweltartig entrückt durch das zwanglose Mäandern einer ziellosen Atmosphäre haucht, schon sehr famos – nur leider im Fade Out. Das akustisch tauende Intermezzo medo de morrer ist eine ätherische Elegie, im Kontext geradezu spirituell und meditativ, bevor a última vista als leicht abseitig schraffierte Trance den Rock im schroffen Weichzeichner ohne Konturen mit schleierhaften Math-Tendenzen aufwirft und in angenehmer Lethargie durchaus hypnotisch wirkt. Ja, Insolação erzeugt eine reizvolle Oberfläche, verführerisch und imaginativ, ist aber eben nur bedingt spannend genug, um die nötige Tiefenwirkung mit nachhaltigen Motiven zu forcieren.

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