Solange – When I Get Home
Spätestens vor drei Jahren hat sich Solange mit dem fabelhaften A Seat at the Table endgültig als die komplexere Künstlerin der Knowles-Schwestern positioniert. Nun scheint der ebenfalls aus dem Nichts kommenden Nachfolger When I Get Home als Gegenreaktion darauf jedoch an den aufgetanen Möglichkeiten bewusst zu verwässern.
Zumindest hat Solange alle Direktheit abgelegt, gibt sich ohne Zwang der frei fließenden Kreativität hin und führt eine imposante Liste an Kollaborateuren (unter anderem Raphael Saadiq, Pharrell Williams, Earl Sweatshirt, Dev Hynes, Scarface, ABRA, Panda Bear, Metro Boomin, The-Dream, Devin the Dude, Cassie, Tyler, the Creator, Standing in the Corner, Gucci Mane, Sampha oder Playboi Carti) bewusst zwischen alle Stühle, wo die Schar an Produzenten und Songwriter-Partner über die volle Spielzeit primär am Transport einer schlüssigen Atmosphäre als übergeordnetes Motiv arbeiten: When I Get Home hat sich dafür von Anbeginn ein Richtung Thundercats Space Jazz schimmerndes Ambiente als Bindeglied zwischen seinen 19 Tracks – einige davon schon alleine nominell nur als Interludes zu betrachten – auserkoren.
Dahinter charakterisiert sich das vierte Album der 33 Jährigen jedoch als eines jener Werke, das spätestens über Frank Oceans Doppel aus Endless und Blonde im Mainstream salonfähig wurde und bis hin zu Some Rap Songs mittlerweile längst in der Mitte zahlreicher Genres angekommen ist: When I Get Home ist eine 39 minütige, lose Sammlung aus Fragmenten, ein freigeistiges Streifen durch Versatzstücke aus synthielastigen Neo-Soul, funky Alternative R&B oder schmusenden Art Pop. Das Geflecht definiert sich eher durch die erzeugten Stimmungsbilder, als dass es sein Songwriting jemals wirklich ausformulieren würde, die Ideen werden weitestgehend ohne Sollbruchstellen durchgereicht, psychedelisch wabbernd, abstrakt greifbar.
Dieses kaleidoskopartige Wesen entfaltet einerseits durchaus eine rundum einnehmende Wirkung, lässt in der supersmoothen Produktion unverbindlich durch zarte Melodien mit prägnanteren Texten flanieren, funktioniert schon beinahe mit der Wirkung eines niemals gänzlich greifbar werdenden Ambientwerkes. Was When I Get Home zudem grandios gelingt, ist das ansatzlose und vollkommen unüberladene Verbinden all seiner Stile und Ausrichtungen, Solange treibt mit erkennbarer Handschrift wie selbstverständlich durch ein breites Spektrum von Einflüssen und Impulsgebern, ist stets das Zentrum des Geschehen. Die theoretische Inkohärenz verbindet sie absolut organisch zu einem homogenen Gesamtwerk, das beständig fließt und sich unbeständig wandelt, auch abseits des generellen Vibes zahlreiche faszinierende Facetten offenbart. Etwa die Intimität von Dreams, die sinistre Anschmiegsamkeit von Down with the Clique oder das stacksende Nachladen von Way to the Show. My Skin My Logo ist präzises Dösen um eine nachhaltige Hook, Binz dagegen die unfertige Ahnung eines catchy Ohrwurms, die wie alles hier eher ziellos in den Äther entfleucht, als Nägel mit Köpfen zu machen.
Als Ganzes – und reines Moodpiece – läuft When I Get Home deswegen auch mindestens angenehm, reizvoll und durchaus ambitioniert nebenher, liefert einen unverbindlich rastlosen Soundtrack, der in seiner Unaufgeregtheit niemals antriebslos wirkt.
Bei aktivem Konsum und näherem Blick auf die Details fehlt es aber an der substanziellen individuellen Tragfähigkeit, die When I Get Home in aller vager Unkonkretheit nachhaltig zünden lassen würde. Zu wenig bleibt neben gefühlt viel mäandernd-verführendem Leerlauf hängen, während so viele an sich brillante Szenen nur angerissen werden, Potential eher angedeutet wird, als dessen Stärken erschöpfend zu ergründen. Eine Platte also, die nicht beliebig ist, aber ihren Charakter nicht konsequent genug um die wohlige Egalität zwingend zündet.
Letztendlich liegt zwar auch in dieser Diskrepanz ein Teil der Anziehungskraft eines strukturlosen Flickwerks mit System, das stets an der Oberfläche bleibend kaum wirklichen Tiefgang erzeugt, immer wieder das Momentum nützt, um sich in einzelne Szenen dieses Mosaiks zu verlieren, dabei aber eben nie den Wunsch los wird, auch die besten Phasen der Platte nachträglich noch einmal durch den Inkubator zu schicken und zu Ende zu formulieren.
Taucht etwa das herausragende Almeda (als sedativ trappende Hip Hop-Muskelanspannung), der entwicklungsresistente, aber grandios verträumte Pop Stay Flo oder das halb als Klavierballade, halb als Synthstück pluckernde Time (Is) in der Klanglandschaft auf, folgt man ihm fasziniert hingegeben (und stellt fest, dass auch die kompakte Spielzeit von stets weniger als 3 Minuten kaum einen Track auf den Punkt bringen) – explizit für sich alleine stehend und außerhalb des Kontextes wird man jedoch selbst die Highlights der Platte wohl nie ansteuern. Neben all diesen geradezu frustrierenden Details ist insofern auch jene Eigenschaften das kleinste Problem von When I Get Home ist, dass der Streifzug niemals gänzlich befriedigend das direkte Niveau zu erreicht, den man eigentlich von Solange gewohnt ist. Dass dieses Album auf einer subversivere Art jedoch ebenfalls zielführend ist, bleibt zumindest ein immanenter Verdacht: Aus diesem appetitanregenden Bummelzug könnte sich großes für Album Nummer 5 spießen.
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