Snow Patrol – Reworked (EP1)
Snow Patrol haben während der zurückliegenden Tour zu ihrem Comebackalbum Wilderness auch die Zeitgefunden neues Material aufzunehmen – und daneben vermeintlich wenig kreativ auch neue Versionen alter Gassenhauer eingespielt. Die erste von zwei Reworked-EPs funktioniert dabei allerdings erstaunlich einnehmend.
Erst unlängst wurde Chasing Cars als offiziell meistgespielter Song des 21. Jahrhunderts im UK-Radio entlarvt. Time Won’t Go Slowly läuft nun allerdings kaum Gefahr, in dessen populäre Fußstapfen zu treten, packen die einstigen Experten für sentimentale TV-Szenen-Hits auf dieser Interims-Single zum 25 Jährigen Bandjubiläum doch eine überraschend subtile Klinge aus. Ein mit programmierten Beats plätschernder Walzer findet da seinen Komfort im Synthpop-Kontext, mit entschleunigtem Tempo und romantischen Texten, ein wenig Akustikgitarrenbegleitung sowie einem verhalten in die Breite gehenden Finale.
Die absolut ruhige, unaufgeregte Gangart der neuen Single kann man sicher auch als Ausdruck des voranschreitenden Alters von Gary Lightbody und Co. deuten, es hat aber vor allem mit den Umständen der Aufnahmen an sich zu tun: „We recorded it on the Wildness world tour over the last 12 months or so. The tracks are on the mellow side by design. Hard to rock out when recording in hotel rooms (keep the damn noise down in there!! etc).“ Egal, woran es letztendlich liegt: Time Won’t Go Slowly ist eine ungemein angenehme und versöhnliche kleine Schönheit geworden, in deren verträumte Atmosphäre man sich mit nostalgischer Ruhe verlieren kann.
Die folgenden drei Nummern passen sich ästhetisch an die Form der Leadsingle an, lassen jedoch ungehört erst einmal schon vorab die Nase rümpfen: Altes Material – noch dazu einige der einträglichsten Hits, keineswegs in die Tiefe der Materie gehende Deep Cuts – zu recyceln ist per se natürlich nicht gerade die inspirierteste Art, um den Veröffentlichungskanon zu erweitern. Zumal sich Snow Patrol gleich rechtfertigend in Position bringen: „However we think the versions are all, most importantly, vastly different from the original versions and (even if I do say so myself) really, really special.“
Auch wenn die drei Stücke es wohl all jenen leicht machen, die der Band (nicht ganz unhaltbar) ein noch expliziteres Wegdriften in die weichgespülte Harmlosigkeit attestieren werden, geben die Ergebnisse Snow Patrol letztendlich aber doch vor allem Recht – das Reworked-Material ist eigentlich durchwegs schöner geraten als die Originale: subtiler, zerbrechlicher, subversiver. Und ja – auch noch spannungsarmer.
Chocolate ist nun etwa eine schüchtern gezupfte Elegie, die den pochenden (ohnedies ziemlich billig von den Doves geklauten) Schlagzeug-Drive vollends aufgegeben hat, dafür aber fast schon countryesk slidend-knödelnde Ansätze durch den Hintergrund wehen lässt, die Sehnsucht zurückhaltend ausbreitet: Eine feine Intimität.
Crack the Shutters kehrt wiederum deutlicher zur Leadsingle zurück, nutzt eine wattierte, auf das notwendigste reduzierte Drummachine und sphärische Keyboardschwaden sowie mit verschwommenen Effekten minimal verwaschenen Vocals, überzeugt eher ästhetisch stimmig im homogenen Kontext. Open Yours Eyes pocht danach noch am Bauch der Akustikgitarre im wärmenden Sonnenschein, klimpert später ein bisschen und addiert einen vorsichtigen Chor. Ein unaufdringliches Trostpflaster, keine Katharsis, kein Stadionpleaser.
Und freilich, an sich packend ist das nicht, nein. Aber in der richtigen Stimmung umgeht das jede Lamoryanz und zumindest einen Gutteil an beliebiger Gemütlichkeit absolut wohlig, weich und gutmütig. Easy Listening-Melancholie mit immanenten Nostalgiefaktor, der gar nicht erst aufwühlen will: „There are upbeat moments on EP2 for sure but for the most part the entire Reworked project is a fairly mellow affair.“
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