Slowdive, Drab Majesty [02.04.2025: Simm City, Wien]
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Slowdive sind legendär wie immer, aktuell aber auch populär wie nie zuvor – und leben diesen Umstand mit spürbarer Freude und Hingabe aus. Unter anderem, indem die Briten in ihrem zweiten Frühling so auch erstmals in ihrer Karriere Österreich beehren.
Ein Anlass, für das sich die ausverkaufte Simm City als zu kleine Location erweist. Seit langem ist das Konzert ausverkauft, vor dem Eingang der rappelvollen, aber gerade noch nicht unangenehm vollen Halle stehen deswegen zahlreiche Kartensuchende hoffnungsvoll aufgefädelt, um noch Tickets zu ergattern.
Slowdive treffen aktuell im Shoegaze-süchtigen TikTok-Zeitalter und rund 35 Jahre nach ihrer Gründung (bzw. elf nach ihrer Reunion) eben merklich einen Nerv. Was vor einem niemanden ausschließenden Publikum sinnbildlich zu schönen, generationsübeegreifenden Szenen führt: Auf die erste U-Bahn kurz nach Show-Ende (gegen 22.50 Uhr) warten Vater und Sohn nebeneinander – der eine mit Platten eingedeckt, der andere mit Shirts – und tauschen sich begeistert über den Abend aus. Worüber sich die beiden fraglos einig scheinen: es war ein relativ perfekter.
Gut, Rachel Goswells Stimme mag gefühlt minimal zu laut im Mix angelegt sein, und gerade der aktuelle Hit Kisses (bzw. in dessen Windschatten auch ein klein wenig der Übersong Sugar for the Pill) kann die Erwartungshaltungen nicht restlos stemmen, weil das Stück live nicht ganz zum Punkt finden will und den Spannungsbogen gefühlt etwas zieht. Und dass Pygmalion (an diesem Abend mehr noch als bei vorangegangen Tour-Stopps) das unverdiente Stiefkind der Diskografie ist, ist subjektiv einfach schade. Wenngleich wohl nachvollziehbar: das delirante Crazy for You wird ein wenig verhaltener von der durchwegs enthusiastischen Besucherschar aufgenommen.
Sei‘s drum: Da passt im Grunde nahezu alles. Vom tollen, mächtigen Sound (der alleine schon die Kickdrum wohlig durch Mark und Bein gehen lässt) bis zur bisweilen sprachlos machenden Licht-Show, die zum Besten gehört, was man seit langem mitanschauen durfte, indem sie die Identität jedes einzelnen Songs ganz fabelhaft intensiviert.
Für den eine kathartische Klimax erzeugenden Trance-Jam Souvlaki Space Station strahlen Silhouetten im Scheinwerferlicht der Dunkelheit, Chained to a Cloud befreit sich aus dem pinken Zwielicht, um über blasenwerfende Bass-Frequenzen zu explodieren, die praktisch im Drone die Magengruben massieren. Und über allem steht ohnedies der mit Haut und Haaren verschlingende Sog von Catch the Breeze, der etwas faszinierend staunend machendes, regelrecht magisches erzeugt. Ja, live sind Slowdive durchaus spektakulär und eine Erfahrung für beinahe alle Sinne!
Auch der Support-Act der laufenden Tour ist mit den Goswell-Kumpels Drab Majesty übrigens an sich sehr gut gewählt und stimmt mit schmissigen 80er Darkwave/ Synthpop und Ambient-Gitarre ästhetisch einnehmend im posthumanistischen Look auf den Hauptact ein.
Im Gegensatz zu den tollen Studioalben erschöpft sich der Sound des kalifornischen Duos auf der Bühne allerdings in einer gewissen Gleichförmigkeit. Zumal sich die Stimmen von Deb Demure und Mona D live manchmal verfehlen und die Songs sich generell zu ziehen beginnen – 50 Minuten sind da tatsächlich ein wenig zu viel des Guten.
Wenn sich das finale The Skin and the Glove allerdings mit Acoustic-Gitarre halluzinogen aus der Masse zu schälen beginnt, speichert sich die Info, dass Drab Majesty als Meister ihres Fachs demnächst ja wiederkommen, automatisch im Hinterkopf ab.
Setlist:
Dot in the Sky
Oxytocin
Foreign Eyes
Ellipsis
Long Division
Cold Souls
The Skin and the Glove
Einstweilen lässt das Schwärmen über Slowdive aber wenig Raum für anderes.
Weil es einfach nur eine Freude ist, Goswell in ihren wogenden Bewegungen dabei zuzusehen, wie sie das Publikum mit einem enigmatischen Lächeln über den Dingen stehend und mitten drinnen im Rausch der Musik treibend beobachtet, immer wieder den Blickkontakt mit einzelnen Personen herstellt, während drumherum über Avalyn I, Shanty und Star Roving ein krautiger Groove entsteht, dem man sich nicht entziehen kann.
Weil No Longer Making Time seine Strophe zurückhaltend entschleunigt, nur um im Refrain eine umso druckvollere Machtdemonstration der Rockband Slowdive zu sein, wuchtig und massiv. Weil Alison ein herrlich kraftvolles Finale bekommt und When the Sun Hits in seiner Laut-Leise-Dynamik unbedingt mitreißend ist.
Vor allem aber, weil – bevor die intime Bescheidenheit von Dagger im Herzen des Zugabeblocks zum Schönsten gehört, was der beinahe alle Wünsche erfüllende Abend zu bieten hat – der abschließende Syd Barrett-Tribut Golden Hair einfach nur gigantisch ist: Goswell verlässt nach ihrem pastoral erhabenen Part die Bühne und nimmt auf einem Stuhl abseits Platz, um zuzusehen, wie Halstead, Savill, Scott und Chaplin eine Klangkathedrale bauen, die sich in ein rotes Postrock-Meer erstreckt, um den Status Quo einer über dem Shoegaze thronenden Band zu determinieren.
Dennoch sei an dieser Stelle nochdarauf hingewiesen, dass am 6.5.25 im Wuk (und zumindest eine Stufe unter der von My Bloody Valentine und Slowdive dominierten Königsklasse) mit Ride gleich die nächsten Szene-Legenden gastieren.
Setlist:
Avalyn I
Shanty
Star Roving
Catch the Breeze
No Longer Making Time
Crazy for You
Souvlaki Space Station
Chained to a Cloud
Kisses
Sugar for the Pill
Alison
When the Sun Hits
Golden HairEncore:
Machine Gun
Dagger
40 Days
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