Slovenly Hooks – Slovenly Hooks
„Like many people, I had to try and keep busy during lockdown. So I got back to writing music. I thought I’d quit but turns out it was a life line. It’s called Slovenly Hooks. There are no guitars, no beats and no lyrics so it’s quite different from anything I’ve done before.„
Craig B(eaton) hat nach dem Ende von A Mote of Dust also gewissermaßen seinen Rücktritt vom Rücktritt als Musiker vollzogen. Und dennoch fühlt sich der selbstbetitelte 41 minütige Einstand der neuen Plattform Slovenly Hooks weniger als Rückkehr, denn als Neuanfang an, indem der Schotte eben wie proklamiert alle bisherigen Trademarks – seine (zumindest nach den ersten beiden Aereogramme-Alben) bezaubernd-filigranen Melodien, seine zarte Stimme, die unmittelbare Intimität der Emotionen – verzichtet und als Instrumental-Klangmaler im elektronischen Score und Dark Ambient wie der Phoenix aus der Asche steigt.
Der Einstieg ist dabei noch etwas unausgegoren, weil Pivot mit seinem vorsichtigen Kontrast aus sanftem Neon, astralem Schimmern, abgedämpften Wummern und modulierten Loops in assoziativer Nähe von Jon Hopkins‚ Soundflächen mal die Ahnung von Rhythmik andeutet, dann vorsichtig düster-grummelt, oder kurz den bratzenden Drone in Achtel-Schüben ausprobiert. Beaton hat merklich eine klare Ästhetik vor Augen, versucht aber wohl noch zu sehr nach konventionellen Song-Mustern zu arbeiten, indem er einzelne Impulse in das struktur- und formoffene Wesen der neuen stilistischen Spielwiese schickt, die Gegebenheit zu willkürlich modifiziert.
Danach wird man Slovenly Hooks immer noch vorwerfen müssen, dass die meisten Passagen kein makelloses Gespür dafür haben, wann sie enden sollten – sprich: nahezu jede Nummer hätte hier gerne ausführlicher und länger ausfallen dürfen -, doch wird die Platte im weiteren Verlauf merklich geduldiger, in sich geschlossener und konsequenter in die Tiefe geht, ja phasenweise gar monolithischer verdichtet – wenngleich eine auch dennoch eine Zusammensetzung aus sieben einzelnen Szenen.
Gone Wrong dreht sich verschwurbelt und sinister wie düstere Spinning Plates über den Suspense-Abgrund, eindringlich komplett und schlüssig imaginativ, beklemmender. Vacuum zeichnet eine Stille mit gleißender Lautstärke, arbeitet fesselnd auf mehreren Ebenen, endet aber, sobald man sich tatsächlich ganz auf die subversive Dynamik eingelassen hat. Lunacy and Courage zeigt, wie variabel das Design der Platte trotz ihrer Homogenität ist, nähert sich über dem flächigen Synth-Teppich mit oszillierendem Gitarrengeplnkel und aufblitzenden Piano-Loops erfolgreicher, weil integraler, orthodoxeren Kompositionsfunktionsweisen an, erinnert sich an Melodien, hat eine sanft-optimische, gar hoffnungsvolle Nostalgie und mehr noch einen runden Spannungsbogen. Hunger in a Goldmine ist nicht weit von der synthetischen Mystik des Postrock von Mogwai entfernt, mit ätherischen choralen Texturen sowie der intrinsischen Spannung – aber in Summe „nur“ ein dichtes, fesselndes Intro, das nirgendwohin führt.
Symptomatisch für das eben auch fragmentarisch und gefühlt ausschnitthafte Wesen der Platte, die hinten raus mit The Deaths of Judas (kontemplativer und elegisch umspült der Raum assoziativ) und Where Would You Go? (das neugierig schimmern und funkelnd taut) besonders über ihre atmosphärische Wirkung einnimmt. Mit Luft nach oben, was die eigene Handschrift als Ambientmusiker und deren Effektivität am Klangwelt-Entwerfen angeht, ist es jedenfalls schön, dass Craig Beaton wieder zurück ist. (Und der radikale Paradigmenwechsel rechtfertig es auch ansatzlos, wertungstechnisch ein Auge zuzudrücken und aufzurunden.)
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