夢遊病者 – Skopofoboexoskelett
„Where does reality end and where does it begin? And who, or what, decides this?“ stellen 夢遊病者(Sleepwalker) auf ihren vierten Studioalbum Skopofoboexoskelett existentialistische Fragen.
Antworten darauf bleibt das multinationale Trio, das diesmal mit einer schier überbordenden Gästeliste an instrumentalen Diskussionsteilnehmer aufwartet, abseits der keineswegs neuen Erkenntnis, dass alles eine Frage der Perspektive ist, freilich insofern schuldig, als daß ihr avantgardistisch bar jeglicher Genre-Konventionen agierendes Klang-Konvolut mit labyrinthischer Wirkung einmal mehr eher einem desorientierenden Brandbeschleuniger gleichkommt, dessen Fäden zwar im avantgardistischen Jam beginnen, aber eigentlich nur in der körperlosen Transzendenz aufgelöst werden können: es spielt eigentlich keine Rolle, was in diesem Mahlstrom nun Wirklichkeit ist, und was die eigene Imagination aus der Substanz macht.
Das experimentell aus allen Strukturen gelöste Mirrors Turned Inward ist etwa eine symbiotische Verbindung aus gegen den Strich gebürsteten Black Metal-Ästhetiken und Free Jazz-Gesetzen an der Field Recordings-Grenze zum kakophonischen Wahnsinn, ungefähr dort, wo röchelnde, rezitierende Portal einen Jam mit Sumac und Keiji Haino praktizieren würden. Derweil sich die halluzinogene Trance als formoffener Fiebertraum schleppen, dessen Tempo und Härte unberechenbar mutiert, während die bedrohliche Präsenz und aufreibende Intensität stets klaustrophobisch, zieht die Nummer justament immer, wenn sie einen gemeinsamen Nenner für ihre psychedelisch-disharmonische Sinfonie gefunden zu haben scheint, den Boden unter den Beinen wegreißt, seine infernal kasteiende Kraftprobe neu justiert – und zumindest das letzte Drittel eine Auftrittsfläche der Erkenntnis zu bieten scheint, man einem dekonstruierten Groove auf der Fährte zu sein scheint und zwar nicht unbedingt alles Sinn zu ergeben scheint, aber der Reigen instinktiv aufgeht.
Danach scheint sich Skopofoboexoskelett sogar noch mehr zu öffnen, wiewohl die Expedition mit 25 Minuten jenseits der EP-Kategorie (wie von Sentient Ruin proklamiert – und anders als das erschöpfendere Noč Na Krayu Sveta 2021) ein wenig zu kurz ausgefallen wäre, sonst aber schlüssig konzipierte Episoden liefert. Silesian Fur Coat ist ein stoischer Bastard aus Noise Rock, heulender Roadhouse-Western-Atmosphäre und Horror-Attitüde samt fernöstlichem Horizont: eine Wucht, denn alleine Raum und Präsenz ist fesselnd, die Atmosphäre sowieso, bevor The Eagle Flies als ebenfalls zu kurzes Ungetüm aus einem mystischen Alptraum-Tempel mit diffusen Lärm-Kaskaden mit zugänglichen Schemen liebäugeln lässt und The Bad Luck That Saved You From Worse Luck gar eine ambient-angenehme Schönheit über den kontemplativ beklemmenden Kayo Dot-Abgrund schiebt, Metal-Tendenzen sich unkonventionell aufbäumen, und die sedative Riffwulst treibend schippert, so dass man sich mit einem realitätsfernen Reiz in den unergründlichen Welten von Skopofoboexoskelett verliert.
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