Sleep Token – This Place Will Become Your Tomb

von am 28. September 2021 in Album

Sleep Token – This Place Will Become Your Tomb

Sleep Token versuchen auf This Place Will Become Your Tomb den eigenwilligen Konsens zwischen Formatradio-Mainstream und konsumfertigen Pop mit denselben Mitteln zu erzwingen, wie vor zwei Jahren auf Sundowning – nur in weniger überzeugend.

Es ist nicht so, dass die Luft draußen wäre, aus der polarisierenden Ambivalenz der weniger mysteriösen, als vielmehr marketingtechnisch schlau in Szene gesetzten Band um Front-Maske Vessel. Nur haben Sleep Token die gewöhnungsbedürftige, aber funktionierende Spannweite ihres Sounds – die Symbiose aus Art Pop, Alternative Metal, Djent und R&B, die so als Publikum das aufgeschlossene Klientel von so konträren Einflüssen wie Sam Smith und den Deftones, James Blake und O’Brother oder wenig überraschend Billie Eilish ansprechen könnte – bisher einfach zwingender und effizienter hinbekommen.

Oder genauer: This Place Will Become Your Tomb scheitert an drei gravierenden Mankos, die so Hand in Hand gehen, sich gegenseitig bedingend.
Zum Ersten ist das Songwriting diesmal einfach merklich schwächer ausgefallen – auch weil die Strukturen zum Zweiten einfach nahezu die immer die selben sind, praktisch jede Nummer introspektiv und zurückgenommen im minimalistischen Elektronikambiente beginnt, im letzten Drittel aber den Weg zum wuchtigen, kraftvoll das Panorama suchenden Rock-Pastiche aufgeblustert wird. Auf dem gesamten Weg in diesen recht schnell vorhersehbar werdenden und eben auch bald langweilenden Spannungsbögen steht zum Dritten die so beseelt den Pathos hinauscroonende, auch bemüht pathetisch in die Theatralik heulende Stimme von Vesser exaltierter, kitschiger und selbstgefälliger in der Auslage, als es ihr angesichts der doch auch überschaubaren Vielseitigkeit ihrer Tragekraft gut tut. Das Rampenlicht ist hier keine Option, sondern ein manchmal geradezu krampfhafter Zwang.

Wo also im zweiten Anlauf diesmal grundlegend weniger packende Melodien und Hooks hängen bleiben, und die Chart-Brechstange (nicht nur im Acapella-Vocoder-Zwischenstück Fall for Me oder dem sentimentalen Bedroom-Acoustic-Imitat Missing Limbs) ein wenig aus der Balance mit der Natürlichkeit gekommen ist, gelingen auf This Place Will Become Your Tomb freilich dennoch einige starke Szenen, die so auch niemand anderer als die Amalgam-Eklektiker von Sleep Token erzeugen könnte, gerade zu Beginn und am Ende der Platte.

Das vom Klavier aus erwachende, so catchy geratene Atlantic leitet etwa nahtlos über zur emotionalen Katharsis von Hypnosis sowie dem heavy schunkelnden, irgendwo romantisch-verträumt flimmernden Mine. Descending übersetzt die gängige Formel ebenso gelungen, vor allem in die angenehm-ätherischen Industrial-Reduktion, die sich geschmeidiger durch den MO windet, hypnotischer und ruhiger bleibt, viele Lagen sorgsamen zur detaillierten Produktionsqualität schichtet, während das herausragende Telomeres typisch als Pianoballade beginnend eine postrockige Weite erzeugt, einfühlsam und weich und atmosphärisch funktionierend zudem ein smartes Solo parat hält, bevor High Water mit seiner nautisch schimmernden, elegisch sinnierenden Post-Gitarre bezaubert.
Es ist also nicht so, dass sich Sleep Token mit ihrem in kreativer Hinsicht weitestgehend stagnierenden Zweitwerk (das so eher genug Substanz für eine EP geliefert hätte) ein uninspiriertes Grab geschaufelt hätten, doch wirken die Perspektiven plötzlich deutlich ernüchternder.

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