Sleater-Kinney – Little Rope

von am 25. Februar 2024 in Album

Sleater-Kinney – Little Rope

Gemessen an den Klassikern ihres ersten Band-Lebens ginge Little Rope wohl nur als sehr okayer Sleater-Kinney-Standard im Indie Rock durch. Angesichts der beiden Vorgänger-Platten Path of Wellness und The Center Won’t Hold stellt das elfte Studioalbum der Band jedoch einen erfreulichen Aufwärtsschub am Qualitäts-Barometer.

Womit man so nicht rechnen musste, nachdem St. Vincent, um es einmal ganz salopp zu formulieren, Sleater-Kinney vor fünf Jahren unwiederbringlich ruiniert zu haben schien.
Dass die Band auf dem zweiten Album seit dem Ausstieg von Janet Weiss nun aber (gemeinsam mit Tour-Kumpanin Angie Boylan an den Drums, Death Cab for Cutie’s Dave Depper und Outer Orbit’s Galen Clark als Unterstützern) unter der Ägide von John Congleton aufgenommen hat, erweist sich eben als wahrer Heilungsprozess – und in stilistischer Hinsicht zudem fast wie ein Seitenhieb auf die Abschied der unersetzbaren Weiss.
Immerhin richtet sich der Sound unter dem renomierten Produzenten-Allrounder mit der genialen Vergangenheit (mit dem man angeblich schon lange zusammenarbeiten wollte, aber warten musste, bis die Zeit dafür reif war) nun wieder deutlich rockiger aus als zuletzt, der Wave-Faktor dient eher der Atmosphäreverdichtung.

Auch wenn Sleater-Kinney deswegen noch immer nicht wirklich restlos hungrig oder energiegeladen klingen, tut der kompakter gesetzte Druck gut: die Produktion passt zu der roheren Ungeschliffenheit, die die Band wohl im Sinn hatte – auch wenn die (durch die Bank etwas besser als zuletzt ausgefallenen) Songs darin die Attitüde nur bedingt stemmen können.
Exemplarisch dafür steht die Single Say It Like You Mean It. Die ist ein Ohrwurm, in dem der Synth im Hintergrund Raum andeutet, während der Fokus auf den Kern aus Schlagzeug, Gitarre, Bass und Gesang gesetzt wird, die Komposition ihre Ideen und Grundgedanken jenseits der vordergründigen Catchiness allerdings nicht herausfordern, sondern sie einfach wie einem Schlauchverlauf folgend relativ langweilig und überraschungarm auf Nummer Sicher gehend anlegen.
Was sich anhand des besagten Songs auch vorzeitig lässt: das Gitarrengeplänkel auf der Platte ist weitestgehend ziemlich generisch und uninspiriert, der Gesang jedoch mitunter fantastisch. Was angesichts des Umstandes überrascht, dass Little Rope im Verlauf der Aufnahmen zur Trauerarbeit wurde: Mutter und Stiefvater von Carrie Brownstein starben 2022 bei einem Autounfall in Italien, woraufhin sie die Gesangsparts praktisch ausnahmslos Corin Tucker überließ und sich auf die instrumentale und textliche Seite der Platte beschränkte.

So bleiben die Dinge ambivalent. Dem bratzend so dicht stehenden Needlessly Wild fehlt die richtig gute Melodie, weswegen das polternd dröhnende, heulende Six Mistakes seine Sache einfach besser macht. Wenn die Band rockt, variieren die Erfolge ohnedies (wie im zackig gen Yeah Yeah Yeahs galoppierenden, jedoch beinahe öde wegpennenden Schlaffi Hunt You Down oder dem biestiger stichelnden, postpunkig brodelnden Kopfnicker Small Finds vorgefürt wird), die soliden Ausreißer weiter in den Pop (Don’t Feel Right) oder den elektrischer treibenden Tanfläche (Crusaders), sind auf eklektische Art solide, aber keineswegs essentiell oder originell-eigenständig.
Dennoch gerät Little Rope klar zum zweitbesten Reunion-Album der Band nach No Cities to Love. Dafür sorgt zum einen der zwischen intimer Zurückhaltung und explosiver Wucht wechselnde Opener Hell, mehr noch aber das Finale mit der schön kontemplativ abwartenden, ein bisschen melancholisch träumenden Unscheinbarkeit Dress Yourself (die abseits des Kontextes redundant wäre) sowie vor allem dem superbe in Schüben kommenden Blockbuster-Drama Untidy Creature, in dem Tucker am Mikro absolut besticht und gefühlt jeder Meter der Walze kurz vor der bebenden Kathasrsis zündet: grandioser als in diesem Highlight waren Sleater-Kinney seit ihrer Rückkehr vor knapp zehn Jahren selten bis nie.
Das mag bei der Wertung trotzdem knapp nicht zum Aufrunden zwischen den Punkten reichen (weil sich die nur 34 Minuten Spielzeit auch im ausgewogenen Niveau doch hin und wieder in die Länge ziehen), es stimmt aber absolut zuversichtlich für die Zukunft einer Band, die sich von ihrer St. Vincent-Sabotage trotz der personellen Amputation gegen alle Prognosen erholt haben könnte.

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