Sivert Høyem – Roses Of Neurosis
Fünf Jahre nach Lioness (und einem einhergehenden Madrugada-Revival) bringt Sivert Høyem seine Solokarriere wieder in Schwung: Roses of Neurosis zeigt den kammermusikalisch ausgeleuchteten Sophisti-Pop-Rock des Norwegers in unterschiedlichen Auslagen, stets auf einer zeitlos-zuverlässigen Basis.
Run Away pflegt etwa einen Father John Misty-Modus, gönnt sich eine fast schlagerartige Ausstrahlung mit seinem angenehmen Fernsehgarten-Klavier. So bekniet der Song hingebungsvoll in einem optimistisch-leichten und offenen Sound, zeigt eine friedliche Aufbruchstimmung und wohldosierten Pathos über den Abspann hinaus – selbst wenn letztlich Streicher unkitschig einsteigen. Archduke könnte dagegen, bevor der Chorus zum durch den Ballsaal schwofendem Grandezza-Country tendiert, mit dem MO von Lana Del Rey intendieren. Jonathan Wilson ist also ein annehmbarer Kompromiss an Koordinatensystem, bevor Devotional ein Space Song aus dem Repertoire von Beach House sein könnte: Auf einen sedativ-minimalistischen Beat zieht ein ätherischer Dream Pop-Synthie perlend seine geloopt modulierten Schleifen – sphärisch und entschleunigt, halluzinogen und anachronistisch. Wenn die Reverb-Gitarren, eine einsame Trompete und mitternächtlich-bittersüße Harmonien die Texturen färben, darf man gar vage an doomjazzige Tendenzen denken.
Dass all dies keine unausgegorene Versprengtheit bedingt, sondern absolut homogen zueinanderfindet, liegt freilich auch daran, dass man sofort drinnen ist, in der Welt, die diese einmalige Stimme zaubert: Auf eine solche Art tiefenwirksam, melancholisch, erhebend, tragisch und anmutig wie Sivert Høyem klingt eben sonst wohl niemand auf dieser Welt.
Auch wenn die Kompositionen dahinter sich im direkten Vergleich mit Madrugada doch zugänglicher und vielleicht auch seichter anfühlend geben, nicht eine derart geheimnisvolle Ausstrahlung in ihrer Zeitlosigkeit besitzen, wirkt die Substanz jedoch stets über die reine Atmosphärearbeit hinaus und holt mit ihrem tollen Songwriting ab.
Safe Return ist ein unaufgeregt wogend-treibendes Stück, gefühlvoll schmiegen sich die irgendwo zwischen dezenten Jazz-Nuancen (ein Saxofon, das hinten raus sogar subtil aufzeigen darf, fließt durch die Texturen) und einer latenten-80er Ästhetik balsamierenden Synthies an den weichen Groove, das Piano klimpert schimmernd mit sanfter Hingabe und streichelt eine stille Sehnsucht und etabliert die allgemein weitschweifenden Tendenzen der Songs.
Nur Queen of my Heart nimmt sich der Sache vergleichsweise kompakt an: Abgedämpft pulsierend schippernd geht eine Akustikgitarre aus dem beschwingten Dark Folk und Americana im sparsamen Bandsound auf. Dunkel wärmend und seine Zärtlichkeit fürsorglich auslegend verzehrt sich Høyem vor Schönheit in einer verträumten Liebeserklärung, die nichts weniger ist als ein veritabler Ohrwurm und Hit mit Instant-Anrecht auf einen Fixplatz in kommenden Setlisten ohne Ablaufdatum. Solchen beinahe magischen Kleinoden (und Roses Of Neurosis im Ganzen) das gewisse Etwas implementieren zu können, bleibt nämlich (vielleicht auch ohne Klassiker-Anspruch, aber mit potenter Lieblingssong-Klasse) schlichtweg eine heimelig abholende Besonderheit.
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