Silversun Pickups – Widow’s Weeds

von am 2. Juli 2019 in Album

Silversun Pickups – Widow’s Weeds

Widow’s Weeds bestätigt die Formschwäche von Better Nature anhand einiger weniger Highlights und der ernüchternden Vielzahl an beliebigen Alternative Rock-Standards, die neben den Silversun Pickups selbst auch Butch Vig zu verantworten hat.

Wirklich überraschend kommt dieser wenig euphorisierende Zwischenstand der Bandgeschichte nach knapp zwei Jahrzehnten ja nicht: Jedes der bisherigen vier Studioalben der Silversun Pickups war schwächer als das zuvor erschienene. Nun kann sich das Quartett zumindest damit trösten, qualitativ eine gewisse Stagnation zu praktizieren.
Dabei haben die Kalifornier im Vorfeld durchaus versucht, ihrer Karriere einen neuen Boost zu verpassen, indem man Megaseller und Garbage-Dirigent Butch Vig für den Produzentenstuhl engagiert hat. Der sollte dann eigentlich grundlegend auch ideal zum 90er infizierten Charakter der Silversun Pickups passen, verträgt sich aber – wie 48 Minuten nun eines besseren belehren – nur am Papier mit dem Alternative Rock der Band.
Vig kann schließlich keine neuen Impulse verschaffen – im Zweifelsfall muss die Hinzunahme generisch arrangierter Streicher den einzigen Geistesblitz darstellen -, nimmt der Band aber alle zuletzt noch verbliebene Rauheit, revanchiert sich im Umkehrschluss jedoch mit keiner wirklich impulsiven Power.

Die Crux an diesem Kuhhandel demonstriert gleich die Anfangsphase der Platte. Der Ohrwurm Neon Wound baut um seinen dramatischen Bass-Minimalismus Spannungen auf, der Song gewinnt auch an Fahrt, die Band addiert Synthie-Chöre und zündet verschiedene Stufen unterschiedlicher Tempo, lockert hinten raus sogar theoretisch die Handbremse – praktisch jedoch scheint all das auf einer kaum die Dringlichkeit variierenden Ebene stattzufinden, kommt die Nummer trotz aller Maßnahmen einfach nicht in Gang, es entsteht kein packender Zugang zum Momentum.
Noch deutlicher wird dies, wenn das folgende It Doesn’t Matter Why seinen eigentlichen Climax erreichen sollte, aber harmlos verpufft: Der zügig nach vorne gehenden Stop and Go-Semihit klingt wie flotte Death Cab for Cutie, doch wenn der Song nach knapp zwei Minuten seinen leidenschaftlichen Ausbruch kommuniziert, kommt der flehentlich Gesang von Brian Aubert nicht so attackierend, angriffslustig oder befreiend daher wie nötig, sondern fällt der Komposition keine andere Form der Detonation ein, als seine Streicher elegischer schwadronierend zu inszenieren. Widow’s Weeds hat auch in weiterer Folge wie anderswo behauptet einfach kein wirklich sättigendes Fleisch auf den Knochen, dafür aber eben eine zu sauber polierte Fassade – wie gut hätte dem Album schlichtweg mehr Biss und Kantigkeit getan.

Wo die Silversun Pickups also ein anhaltend schlechtes Händchen für die Wahl ihres Produzenten treffen, wäre es jedoch ungerecht Vig die alleine Schuld an den Problemen von Widow’s Weeds zuzuschanzen. Immerhin stellt die Band kompositorisch einmal mehr eher solide Standards und gediegen-gehobene Durchschnittsware parat, die mit keinem wirklichen Ausfall, aber eben auch nur wenigen aufzeigenden Momenten aufwarten.
Freakazoid pflegt in seiner kontemplativen Ruhe eine betörende Melodie, nur die gegen den Strich gebürstete Stakkato-Hook passt nicht, der Songs hätte ganz in seiner meditativen Melancholie aufgehen solle – auch weil die in den letzten Sekunden angedeutete Hysterie im Orchestergraben ein ärgerlich konsequenzloser Red Herring-Moment bleibt. Der Titelsong legt sich mit latentem Country-Subtext in eine entspannte Atmosphäre, ist im Rock der 90er aufgewachsener Pop, dessen lockerere Einstellung gut zur allgemeinen Soundästhetik passt. Simpatico unterstreicht dies nur bedingt, da die Band hier traumwandelnd und beiläufig plätschert, sich in einer oppulenten Scheinwelt verliert.

Das ambivalente Widow’s Weeds macht es dabei ganz generell schwer zu sagen, ob Silversun Pickups mittlerweile stärker von einer kompromisslosen Rückbesinnung auf ihre Wurzeln oder einem definitiveren Bruch mit altbewährten Zutaten profitieren würden.
Don’t Know Yet pluckert etwa elektronisch zwischen Doogie Houser und Placebo, zeigt dann aber gelangweilt von sich selbst vor allem leidenschaftslosen Alibi-Rock. Straw Man versucht sein Geplänkel mit bratenden Gitarren vom Grabbeltisch zu würzen, bringt aber keine Schärfe oder nachhaltigen Geschmack in den Aufguss. Für Bag of Bones wagen die Sonnenuntergang-am-See-Experten dann einen atmosphärischen Walzer um die Gefälligkeit, in dem der Chorus klingt, als wäre eine im Fernsehgarten schunkelnde Band ein kleines bisschen von sich selbst angeödet. Und Songbirds hätte ein rhythmisch interessanter und sogar unberechenbarer Sturm-und-Drang-Hakenschlag werden können, mutiert aber zur müde ihren Ideen folgende Angelegenheit, deren Drumsspuren bis zum vermeintlichen Maschineneinsatz produziert wurden. Weniger steril als Vorgänger Jacknife Lee arbeitet Vig im Grunde kaum.
Erst das feine We Are Chameleons kann als Abschluss dann jedoch beinahe diese verzweifelt-flehende Dramatik erzeugen, die man von den ersten Alben der Band kennt, auch wenn die nötige Intensität für wahre Größe fehlt.

Das ist grundsätzlich trotzdem allesamt keineswegs schlechtes Material, vielleicht bleibt genau genommen sogar ein wenig mehr hängen, als auf dem ebenso durchwachsenen Better Nature. Allerdings will eben nichts bedingungslos zwingend mitreißen, nichts entlang der versiert praktizierten und liebgewonnen-vertrauten Trademark-Ausstrahlung überwältigen. Für eine Band, die immer dann am besten war, wenn sie das Fass emotional überschwänglich zum kippen brachte, ist dies natürlich zu wenig.
Die Songs skizzieren immerhin geradezu frustrierend ein eingängiges Gefühl, lösen die Versprechen dahinter aber zu selten ein, bleiben seichter als sie sein müssten, und verschwenden ihre Substanz an leere Gesten, anhand derer man sich ebenso vertraut willkommen fühlt, wie gepflegt zu langweilen beginnt. Es scheint insofern ganz so, als hätten die Silversun Pickups wirklich bereits alles essentielle gesagt – der Rest ist nostalgische Zuneigung. Als Überbrückung bis zur nächsten Singles Collection taugt das aber durchaus.

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