Silversun Pickups – Physical Thrills

von am 12. September 2022 in Album

Silversun Pickups – Physical Thrills

Neck of the Woods, Better Nature und Widow‘s Weeds verliefen ein wenig nach dem Motto, dass den Silversun Pickups zwar die guten Songs ausgegangen waren, die Band aber noch irgendwie das Beste aus den Umständen zu machen versuchte. Physical Thrills funktioniert praktisch genau umgekehrt proportional.

Während von den Vorgängeralben (irgendwo absurderweise im position wie negativen) letztendlich wenig geblieben ist, wird (das gefühlt mit einem Artwork aus dem Streaming-Playlist-Algorithmus ausgestattete) Physical Thrills vor allem den Eindruck haften lassen, dass die Silversun Pickups und ihr Produzent Butch Vig auf dem fünften Studioalbum der Kalifornier zwar immer noch relativ uninteressante Autopilot-Standards durch die Qualitätskontrolle schlüpfen haben lassen, die das Gesamtbild mittels einiger leerer Meter enervierend blasser erscheinen lassen, als es nötig gewesen wäre (wie Hereafter (Way After) – das nett vom Klavier ausgeschmückt kein zwingendes Momentum am Pop-Ungleichgewicht entwickelt und belanglos bleibt – oder Scared Together – dessen stoischen Synth-Bass-Groove eine symptomatische Verkrampftheit der Platte einfängt, erst zur Mitte vage überzeugt, wenn die Nummer von Muse zu Placebo umschwenkt und aufs Gaspedal steigt, in Summe aber vor allem wie ein unausgegorener, konsequenzloser Kompromiss seiner beiden Passagen wirkt).
Darüber hinaus holt das Gespann aber vor allem nicht das Maximum aus den erarbeiteten Möglichkeiten: In den meisten Songs schlummert diesmal theoretisch wieder mehr Klasse als zuletzt – doch in einer bisweilen frustrierenden Ambivalenz gelingt es praktisch nicht, dies in wirklich überzeugende Ergebnisse umzumünzen und die vorhandenen PS auf den Boden zu bringen.

Zu den besten Ideen von Bandkopf Brian Aubert gehört es, dass 17 Jahre nach dem wunderschöneren Creation Lake Nikki Moningers Stimme wieder prominenter eingesetzt wird – auf Physical Thrills sogar gewissermaßen als loser roter Faden, was dem Album die Geschlossenheit eines Konzeptwerkes injiziert: Dream at Tempo 050 ist eine abgedämpft aus dem Zwielicht kommende Trip Hop-Ballade in Interlude-Länge und Zeitlupe, die elegisch der Verträumtheit am Piano folgt, und deren Motiv in der stellar pulsierenden Space-Redundanz Dream at Tempo 310 etwas deplatziert aufgegriffen und am delirant-nostalgischen verschwommenen Dream at Tempo 150 als passendes Outro vollendet wird. Alone on a Hill platziert sich irgendwo dazwischen als wunderbar subtiler streichelnder Ohrwurm mit zauberhaftem Refrain, derweil Stay Down (Way Down) als lockerer-akustische Transparenz die Unbeschwertheit von Weezer an der Interaktion der beiden Stimmen findet, aber eben auch die Crux der Platte verdeutlicht: Physical Thrills bekommt tolle Szenen in Griffweite, aber gelingt es nicht bedingungslos rund herausragende Songs fassbar zu machen. Eine ständige Ambivalenz, die unzufrieden entlässt, bleibt.

In Hidden Moon schlummert rund um den Refrain irgendwo eine große Hymne, doch bleibt die Nummer zu verkrampft, will nicht restlos packen, erzeugt zu wenig Intensität und mäandert zu gestelzt. System Error hat einige starke Hooks in seinem Korsett, bräuchte jedoch dringend eine Adrenalin-Injektion. Stattdessen vertändelt sich die Band und hängt nochmal ein unmotiviertes Chorus-Segment an. Empty Nest schimmert androgyn unbeschwert, schunkelt im poppigen Zug nach vorne und wirkt mit seiner bittersüßen Luftigkeit anziehend, läuft jedoch unverbindlich ohne Entwicklung in der Komfortzone ab. Demgegenüber bekommt der melancholische Shoegaze-Postrock von We Won’t Come Out einen aus dem Nichts kommenden, unnötigen Kick aufs Gaspedal – dabei hätte hier die imaginative Tiefenwirkung der Atmosphäre durchaus gereicht, der willkürliche Impuls stört.

Richtig stark und rund hingegen der Einstieg: Stillness (Way Beyond) zieht seinen Reiz aus einem elektronisch-kontemplativen dröhnen eines fast maschinellen Industrial-Rhythmus, düster beschwörenden Backinggesängen als Textur, und der klaustrophobisch schimmernden Aufbruchstimmung, die durch die gezupfte Luftigkeit der Akustik-Gitarre diametral verstärkt wird, Spannung geduldig und cinematograph aufbaut.
Der hibbelig pochende Appendix fungiert dabei als Einleitung für Sticks and Stones, das mit seinem entschleunigten Drummachine-Beat neben der Spur denken fast schon bei Bands wie The Smile (in simpler und aus einer Alternative Rock-Perspektive) agiert, derweil die Handbremse für einen Pumpkin‘schen Adore-Chorus organischer gelöst wird. Dass die Nummer exemplarisch viel zu lange dauert und nicht zum Punkt findet, das schöne Erblühen im Orchestralen kaum essentielle Kosmetik bleibt – auch wieder durchaus exemplarisch. Dafür ist Quicksand am anderen Ende der Platte aber auch eine beruhigende und bedächtige Versöhnlichkeit von einem zurückhaltend-liebenswürdigen Beinahe-Ausklang, der dann irgendwie suggeriert: egal was von Physical Thrills rückblickend auf lange Sicht dann tatsächlich bleiben wird – man wird es bis zum Erscheinen des Nachfolgers wohlwollend nicht ganz so schnell vergessen haben, wie das zuletzt bei Veröffentlichungen des Quartetts der Fall war.

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