Sigrid – Sucker Punch
Die Norwegerin Sigrid Solbakk Raabe hat sich über einige seit 2017 veröffentlichte Singles bereits vor der Veröffentlichung ihres Debütalbums ein reges Interesse an diesem heraufbeschworen. Sucker Punch kann dem nicht ganz gerecht werden.
Dabei macht die noch 22 Jährige über 40 Minuten genau genommen wenig falsch, liefert enorm professionellen und geradezu routiniert kommenden Synthie-Elektropop von internationaler Tragweite, inklusive skandinavischer Markenproduktion (trendig, nicht überzeichnet) und immer motivierter stimmlicher Performance. Tanzbar, eingängig und catchy mit toppenden Refrains sind die Songs, voller dramatischer Synthies und euphorischer Aufbruchstimmung. Gute Mainstreamkost mit Indie-Feeling, wenn die Elite um Billie Eilish, Robyn (wobei die auf das symptomatisch betitelte Basic wohl knapp keine Lust hätte) oder Lorde nicht verfügbar sind, aber ein Platz im Füllerprogramm frei ist, den beispielsweise Forever Neverland nur zu egal bedienen würde. Es gilt eben, in die Fußstapfen des ansteckenden Hits Don‘t Kill My Vibe zu treten – was der Norwegerin in letzter Konsequenz nicht noch einmal gelingen will.
Worüber zeitgemäße Upbeat-Ohrwürmer wie der Titelsong oder Mine Right Now aber doch relativ nahtlos hinwegtrösten: Infektiöse Singles kann die Frau einfach, entwaffnende Schmissigkeiten sowieso.
Kleine Variationen lockern dazu den generischen, etwas zu gleichförmigen Albumfluss auf: Wenn in Strangers beispielsweise über die abgedämpfte Clubatmosphäre ein fetter Spektakel-Beat drüberfährt, das krähende In Vain sich lange als London Grammar’sches Gitarrengeplänkel mit viel Einfühlsamkeit gefällt, nur um später doch noch in rotierende Dancefloor-Bewegung zu geraten, das kompakte Level Up eine vergleichsweise minimalistische Niedlichkeit pflegt oder Dynamite intim an leise Pianoklänge und die Erinnerung an Kate Bush rückt.
Was dabei aber fehlt, ist jedwedes tatsächlich originäre Element oder zwingende Ideen, die den einen oder anderen Song nachhaltiger zum Grower machen würden. Sucker Punch orientiert sich ausnahmslos an den Standards bekannten Kolleginnen, riskiert nichts und erzeugt in seinem grundsoliden Korsett nicht die Emotionen, zu denen Sigrid stimmlich fähig wäre. Stattdessen bleibt die Platte stets gefällig, fügt austauschbare Strukturen und Spannungsbögen mit lange ausgelaugten Motiven (wie etwa den Coldplay-Tanzflächenstreichern in Don’t Feel Like Crying und dem potentiellen Song Contest-Crowdpleaser Sight of You) zusammen, weswegen das Debüt schnell zu erfassen ist und sich bald erschöpft.
Ein aufregendes Profil sucht mach vergeblich, kantige Charakterzüge sowieso. Was bleibt ist der Unterhaltungswert für den Moment, der auf seine Art beinahe brachial jedwede Subtilität ausdämpft. Vielleicht ist es aber auch einfach eine der geheimen Stärken der Platten, dass man Sigrid diese schwache Halbwertszeit niemals wirklich übel nehmen will.
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