¯\_(ツ)_/¯ – ????

von am 7. Februar 2016 in EP

¯\_(ツ)_/¯ – ????

Die aufmerksamkeitshaschend wirkende, geballte Ladung an Emoticons und Satzzeichen hätte es angesichts dieser schlagkräftigen ersten Vorstellungsrunde gar nicht gebraucht: ¯\_(ツ)_/¯ – oder Shrug – schinden aus dem Dunstkreis von Keeper kommend auf ‚????‚ mit ihrem Noiserock der besonders bestialischen Sorte auch so ordentlich Eindruck.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Shrug aus Fresno (also nicht zu verwechseln mit der Band, aus der später Snow Patrol wurde…oder all den anderen Kombos mit dem selben Namen) erfinden das Noise-Rad zwischen Rock und Core zu keinem Zeitpunkt neu, stehen mit ihrem Debüt aber anstandslos in Tradition der großen, wirklich fiesen Bands des Genres: mit einer gehörigen Würze an Blackened Hardcore-Flair und punkiger Attitüde hat das Duo seine wichtigsten Lektionen bei Krawallrabauken wie The Jesus Lizard, White Suns oder Young Widows gelernt, auch der hämmernde Industrial-Charme von Steve Albini’s Big Black ballert mit jedem Peitschenschlag der unerbittlich scheppernden Drums unter die geifenden Gitarrenattacken und stakkatohaft hinausgebrüllten Vocals.

Letztere sind in ihrer wenig variablen Aggressivität die relative Achillesferse der versammelten 15  Minuten, schlagen aber alleine aufgrund ihrer energischen Schonungslosigkeit nahtlos in die selbe Bresche wie der größte Trumpf von ‚????‚: Der direkte Sound dieser EP ist schlichtweg großartig. Die schiere Energie, mit der die rohe Brachialität und der feedbackverseuchte Druck aus den dreckigen Boxen ballert, kennt keine Distanz zum Hörer, ist giftig, mitreißend und erbarmungslos.
Insofern können sich die Perspektiven durchaus verschieben: Shrug ist zwar das geistige  Kind von Gitarrist, Sänger, Songwriter und Texter Patrick Hogan (What Makes a Timebomb Tic) – auffallend ist in erster Linie aber eben die brutale und Produktion, die der so präsente und prägnante Schlagzeuger Jacob Lee (Keeper, Skull Incision, Tiger Lily; bei PlasticBag FaceMask machen Hogan und Lee übrigens schon länger gemeinsame Sache) dem herrlich kratzbürstigen ‚????‚ in den The Doom Cupboard Studios auf den Leib geprügelt hat.

Am Ende wäre das ohne die richtigen Songs freilich wenig wert. Die rabiat am Geschwindigkeitsknüppel reißende Eröffnung mit ‚Murder Smitten‚ nimmt diesbezüglich aber ohnedies bereits keine Gefangenen, bevor ‚Tacky Bites‚ zur Walze gedrosselt wird. Der mehrstimmige Mikro-Einsatz ist dabei beinahe aufbauend in der malträtierenden Wucht, immer wieder reißen Hogan und Lee dem Song bis auf ein lauernd in Bassgefilde schabendes Drone-Motiv jedes Fleisch von den Knochen.
Die spitz-verbogenen Gitarrenbreitseiten in ‚Zenosyne‚ wirken dagegen wie Hornissenstiche in den etwas uninspirierten Refrain, mitten hinein in die hämmernde Misanthropie. Die psychotische Predigt ‚Tropical Storm‚ platzt dann vor Noise-Eiter in eine ständig die Richtung wechselnden Karambolage auf: Die niemals festzunagelnde Rhythmusarbeit und die tollwütig zupackenden Riffs sind es, die die Spannung der EP aufrecht erhalten, vor allem jedoch auch die scheinbar willkürliche Unberechenbarkeit des mienenfeldartigen Songwritings, in die Hogan dennoch immer wieder griffige, eingängige Widerhaken, Motive und Ideen einstreut.
Am besten nachzuhören ist dies dann im abschließenden ‚Every Other Weekend‚, dem längsten Song der EP. Hier nehmen sich Shrug /¯\_(ツ)_/¯ die Zeit intensiv Stimmung aufzubauen und lassen diese dann durch einen Strudel aus schepperndem Groove waten, bis der Song hinten raus zur geifend von Blastbeats niedergeprügelten Hymne aufschwingt. Spätestens danach gilt die altbekannte Devise: Output aus dem Umfeld von Penny Lee sollte man weiterhin bedingungslos auf dem Radar behalten – und kann ihm Dank „Name Your Price„-Konditionen via Bandcamp auch problemlos folgen.

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