Shamael – Il Suono di Mille Orchestre-Parte I
Seit der Veröffentlichung des grammatikalischen Fauxpas-Debüts Melancholie der Engels vor zwei Jahren hat Raffaele Galasso vor allem weitere Spielwiesen etabliert, doch ist die Zeit nun reif um das zweite, dezidiert ambitionierte Shamael-Werk nachzulegen: Bühne frei für Il Suono di Mille Orchestre – Parte I.
Allerdings braucht der Italiener diesmal gehörig Zeit, um in die Spur zu finden: der rund elfminütigen Opener Greve-Elevation agiert lange wie ein von den Möglichkeiten komplett überwältigtes Kind im Süßigkeitenladen, kann keinerlei Fokus einstellen und legt eine geradezu nervende Sprunghaftigkeit an den Tag.
Shamael verliert sich da in einen kaleidoskopartigen Clusterfuck aus wahllos wechselnden Szenen, die noch dazu im betont extremen stilistischen Kontrast zueinander stehen – eine walzende Schwere mit Goth-Synths und sinfonischen Tendenzen revidiert in der einen Szene zu Deathdoomigen Blastbeats und flüstert danach unmittelbar guttural, schiebt immer wieder eine Opeth‘eske Folk-Acoustic ein oder klimpert mit Grandezza am Piano, pendelt willkürlich zwischen sanfter Einkehr, plättender Morast-Heaviness und kurzen Fragmenten rasenden Hatz. All das bleibt ein Chaos aus orientierungslosem Stückwerk, zerrissen und frustrierend. (Zugegeben auch deswegen, weil an eigentlich jede Passage dieser komprimierten Suite mehr Raum zum entfalten gewünscht hätte).
Il Suono di Mille Orchestre – Parte I sabotiert sich in dieser ersten Phase jedenfalls praktisch selbst, lässt das Songwriting aber weniger deswegen mutwillig nicht gedeihen, weil es so zum Konzept gehörend sein soll, sondern gefühlt eher, weil Shamael es sich verhebend nicht schlüssiger gelingen will: Hier scheitert das Album schlichtweg an seinen Prog-Ambitionen.
Insofern kommt es einer immensen Erleichterung gleich, wenn der Italiener doch noch in seine Schiene findet und damit auch den Weg für den angestammten Funeral Doom des Projektes ebnet.
Dort badet Ricordo-I Prize The Memory dann mit sakralen Empfängen sakral (und endet fast zu abrupt), pflegt das mäandernde Interlude-Hymn To Beauty mit märchenhaft verträumter Patina eine eigenwillige Ausstrahlung, verschmilzt Salice-Correspondences mit Erinnerungen an eine Blasmusik aus vergangenen Jahrhundert in geisterhaften Tendenzen der Melancholie, bevor Santa Vergogna-Hymn To Beauty mit eklektisch-tektonische Dynamiken die Tatsache nutzt, dass das Songwriting vom Gespür für eigenwillige Ästhetiken und eine mystische Atmosphäre getragen wird. Letztendlich agiert Il Suono di Mille Orchestre – Parte I so nach einem schwierigen Einstieg doch weitestgehend über dem Genre-Durchschnitt.
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