Serj Tankian – Harakiri

von am 7. Juli 2012 in Reviews

Serj Tankian – Harakiri

Musikalisches ‚Harakiri‚ ist das dritte Serj Tankian Soloalbum keines geworden. Mit allzu gefälligem Metalrock erforscht der System Of A Down-Sänger jedoch genau jene wenig aufregenden Welten, die seine Stammband bisher erfolgreich umschiffen konnte.

Was man grundlegend auch begrüßen kann: Tankian hat sich vom Pomp und Orchesterwahsinn seiner letzten Soloausflüge zumindest vorläufig verabschiedet, die Abkehr von Kitsch und Bombast bringt die Rückkehr zum Rock und Metal, und damit auch die größtmögliche Annäherung an Songs, die Tankian so ähnlich auch im Rahmen von Systen Of A Down stattfinden hätte lassen können. Allerdings eben nur so ähnlich. Bleibt Tankian auf seinem dritten Soloalbum doch schlicht zu oft an der Oberfläche, geht nie dorthin, wo es wirklich wehtut, sondern begnügt sich damit, grimmig dreinblickende Riffs aneinanderzuschrauben, die Ecken und Kanten mit viel Pappmaschee abzukleben und alles mir der ihm eigenen (Melo-)Dramatik vollzupumpen, bis eine phasenweise erschreckend belanglose Abfolge von eingängigen Songs übrig bleibt, die System of A Down-Fans glücklicher stimmen könnten, als alles, was Tankian seit der Bandpause 2006 auf die Beine gestellt hat – künstlerisch geerdeter wirkt ‚Harakiri‚ dennoch als würde sich Tankian hier nur in den Erfüllungen von Pflichtaufgaben ergehen.

Zu sehr driftet ‚Harakiri‚ in maßgeschneiderte Radiotauglichkeit für Sendestationen mit mehr als einem Bein im Alternative Rock ab, die keine zusätzlichen Ebenen hinter der Zugänglichkeit gebrauchen können. Immer ist Tankian deswegen auf der Hatz nach der nächsten Hookline, dem nächsten großen Refrain – wo will aber allein der Titelsong mit derartig erzwungener Intensitätssteigerung hin? Bereits das eröffnende ‚Cornucopia‚ klotzt schon vorwarnend eher als es kleckert, obwohl das im Herzen ein ausladender Punkrocksong ist. So wird es auch in den folgenden vierzig Minuten bleiben, selbst wenn Tankian sich doch noch gelegentlich am Ingredenzienschrank zu schaffen macht und im balladesken Schnarcher ‚Deafening Silence‚ mit billiger Elektronik experimentiert. Die vielerorts aufgeführte 80er Austrahlung findet man Abseits des Augenkrebs-Artworks dennoch nirgendwo. ‚Figure It Out‚ verarbeitet lieber Faith No More-Einflüsse im prolligen White Thrash-Metalumfeld samt Blastbeats, ‚Ching Chime‚ hetzt Billy Talents ‚Red Flag‚ durch den Orient. ‚Uneducated Democracy‚ zerhackstückelt wiederum rasende Beats und shreddernde Gitarren und klar, auf ‚Harakiri‚ passiert eigentlich einiges, allerdings eben viel zu gesittet und wohlkonstruiert. Die Songs seien ihm spontan zugeflogen, sagt Tankian, das Statement harmoniert ideal mit dem  Bild einer unangestrengten Fingerübung und  fügt sich nur zu perfekt in die unaufmüpfige Gefälligkeit der elf Songs.

Dass sich ‚Harakiri‚ mehr noch als seine Vorgänger den Vergleich mit System Of A Down aufzwingen lassen muss, ist natürlich ebenso unangebracht wie aufgrund der Verortung der Kompositionen nachvollziehbar. Auch abseits davon ist ‚Harakiri‚ jedoch ein Album geworden, mit dem sich Tankian angreifbar macht, aufgrund der wiedergefundenen Nachvollziehbarkeit und der Erwartungshaltung sogar noch mehr, als in den letzten Jahren – muss doch jeder für sich entscheiden, inwiefern Texte über Vögelsterben und ökologische Nachhaltigkeit („Switch to ecocentric persuasicions„) den weltreisenden Tausendsassa Tankian als Heuchler erscheinen lassen, beziehungsweise wieviele Songs man von ihm noch über die Bösartigkeit des Fernsehens braucht (‚Reality TV‚). Ehrensache natürlich, das der armenischstämmige Amerikaner mit seiner begnadeten Stimme im Vortrag der Texte immer wieder über das Ziel hinausschießt und damit doch auch die Qualitäten einer durchaus soliden, im hinteren Mittelteil lahmarschig einbrechenden, ansonsten aber begeisterungslos überzeugenden Rockplatte hervorkehrt.
Nach drei weitschweifenden Alben bringt ‚Harakiri‚ die Ursprünge wieder auf den Punkt und stellt klar: Tankian kann noch rocken – er kann es mit System of A Down nur um zahlreiche Klassen besser. Der langfristige Nutzen aber: die restlichen drei für dieses Jahr angekündigten Soloalben zwischen Jazz, Elektronik und Klassiksynfonie erscheinen nun erst recht in interessantem Licht.

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