Serj Tankian – Elasticity

von am 23. März 2021 in EP

Serj Tankian – Elasticity

Elasticity versammelt fünf typisch zerschossene, hymnisch strebende Songs, die Serj Tankian eigentlich für ein Comebackalbum von System of a Down erdacht hatte. Geworden ist daraus nichts – was womöglich besser so ist.

Sicher war das mittlerweile mit dem Grammy prämierte Strokes-Werk The New Abnormal von 2019 enorm stark und gewissermaßen gar eine Art Abbitte für den Produzenten – dass man sich Rick Rubin in heutigen Zeiten jedoch aktiv zur Betreuung einer Platte zurückwünscht, ist gefühlt dennoch eine überraschende Pointe.
So eine hat zumindest Elasticity – dank eines wirklich hundsmiserables Klangbildes: Die Produktion der digital veröffentlichten Platte wirkt nämlich unorganisch und bemüht konstruiert; blutleer, seelenlos und synthetisch. Sie zeigt keinen Fokus, setzt keine prägnanten Akzente und verstreut alle Elemente unkoordiniert in einem gefühlt kaum Dynamiken präzisierenden Spektrum. Elasticity ist schlichtweg angestrengend zu hören und klingt so unnötig dicht verstellt, dass kaum Raum zum Atmen bleibt. In gewisser Weise ist die Songsammlung in dieser Hinsicht wohl ein ideales Spiegelbild des Artworks.

Wo die erste EP von Tankian seit gut einem Jahrzehnt ästhetisch schnell übersättigt, holt sie inhaltlich als typisch exzentrische Rebellion allerdings wohl nicht zuletzt ein Gros all jener direkt ab, die durch das System of a Down-Comeback in Form der Single Protect the Land / Genocidal Humanoidz im vergangenen Jahr angefixt waren. Denn es ist keine reine heiße Luft, wenn Serj erklärt: „Als in mir vor ein paar Jahren die Idee keimte, möglicherweise noch ein Album mit den Jungs von System Of A Down zu machen, begann ich an einer Reihe von Songs zu arbeiten, die ich vor diesem Hintergrund schon gleich als Rocksongs anlegte. Da wir die Vision zum SOAD-Album nicht von Angesicht zu Angesicht weiterentwickeln konnten, entschied ich mich schließlich, die Stücke unter meinem eigenen Namen rauszubringen.
Dass die Kompositionen an sich entlang der Vorzüge seiner Band gezirkelt wurden, ist jedenfalls unmittelbar klar – die stilistische Nähe geht über Tankians Trademark-Stimme hinaus. Was aber eben zum einen den Vergleich mit dem von Rubin produzierten Restwerk der Kombo zwangsläufig und unbedingt aufdrängt, zum anderen aber auch zum zweiten großen Manko des Kurzformates führt: Das Songwriting der Platte erweist sich als vielversprechend, jedoch auch unausgegoren hinter den Möglichkeiten bleibend. Manchmal sind es nur wenige Millimeter, die zum in anderen Levels verankerten System of a Down-Standard fehlen, dann wieder hätte wohl die kreative Reibung mit Daron Malakian, Shavo Odadjian und John Dolmayan überhaupt erst die die nötigen Impulse gesetzt, um den Kompositionen inspirierte Initialzündungen zu verleihen.

Vor allem – oder bei diesem Titel eigentlich: ausgerechnet! – Your Mom schrammt von der Akustiknummer in den fetten Groove brechend, samt verdrehter Spitzen und orientalischer Club-Intermezzo haarscharf am potenten Sytem-Hit vorbei, stellt aber auch so das fidele Highlight der EP mit einem motivierten Sänger dar.
Der Titelsong unterspült seinen Rock dagegen elektronisch und stichelt triezend na-na-na-nach oben, wuchtige Drums treiben stampfend pressend zur Eingängigkeit. Und obwohl sich zur Bridge spacig fiepend ausbremst und das hibbelige Überdrehtheit konstruiert, ist der Opener doch vor allem simpel strukturiert und von gefäliger Halbwertszeit. How Many Times? beginnt als melancholisches Klavierstück mit Streichern und pathetischen Texten aus dem Baukasten, doch dann imitiert Tankian die System-Doppelspitze mit Malakian so gut wie möglich und serviert einen routinierten Alternative Metal-Kompromiss. Ambivalenter ist dagegen Rumi, die als tranige Ballade am Piano so kitschig gerät, wie nur Oden an die eigenen Kinder (ungeachtet prominenter Namenspatronen) es sein können. Wenigstens peitscht Tankian dann hat immer wieder energisch voran, liebäugelt mit Queen und entscheidet sich für das harmlose Midtempo, drückt nur noch zum Refrain aufs Gaspedal und streift so zumindest die unangenehmsten Facetten des Songs ab.
Das ist zumindest (im positiven wie negativen) erinnerungswürdiger als Electric Yerevan, das zwar ambitioniert rezitiert und den Pit ankurbelt, aber auch ziemlich austauschbar keinen bleibenden Eindruck hinterlässt: Die Form von Elasticity wiegt eben leider meistens schwerer, als der Inhalt –  dessen Substanz im System-Kontext womöglich stärker genutzt werden hätte können, als Solo-EP aber nur mit Wohlwollen eine durchschnittliche Bagatelle ergibt.

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