Sepultura – Machine Messiah
Mit den drei Jahren und drei Monaten, die seit The Mediator Between Head and Hands Must Be the Heart vergangen sind, mag die längste Plattenpause ihrer Geschichte hinter Sepultura liegen, doch Andreas Kisser hält die brasilianische Thrash-Institution auf Kurs: Machine Messiah sollte nicht das Schicksal seiner Vorgängeralben teilen, sondern rechtfertigt seine Existenz unmittelbar als vielleicht stärkstes Album der Post-[amazon_link id=“B000000H5K“ target=“_blank“ ]Roots[/amazon_link]-Phase.
Seit der wohl ewige Neue Derrick Green vor auch schon wieder knapp 20 Jahren den vakanten Posten am Mikro besetzte, haben die acht mit ihm veröffentlichten Sepultura-Werke zumeist zumindest zwei Dinge gemeinsam: Erschlagende Konzepte und verzweigte Handlungsbögen, die sich einiges zutrauen – sowie auch die Tatsache, dass die Studiowerke als ambitioniert über den Genre-Tellerrand blickende Arbeiten mal stärker, mal schlechter die Discografie der Band erweitern, aber trotz angehäuftem mediokren Einerlei dann doch in der Regel deutlich besser sind als ihr Ruf und schlichtweg abliefern.
Zwei Kerben, die nun auch Machine Messiah beackert. Mit seiner zugrunde liegenden Thematik um den Einfluss der Technik auf das Leben der Menschen – und mit seinen zehn Songs, von denen sich zwar wohl keiner in die erste Riege des Sepultura-Vermächtnisses spielen können wird, sich zudem mancher an seinen eigenen ehrgeizigen Ansprüchen zu verschlucken droht, die Qualitäten der Band dann aber doch immer wieder überzeugend abgerufen werden und nach und nach die Erkenntnis freilegt: Als Ganzes macht Machine Messiah sogar vieles besser als seine sieben Vorgänger.
Dazu hat auch Produzent Jens Bogren (Opeth, Katatonia, The Ocean) seinen Beitrag geleistet: Gleich der bärenstark eröffnende, untypische Titeltrack ebnet den Weg für Machine Messiah mit einem atmosphärisch-pathetischen Intro, das sich über eine beinahe Grunge-artige Stimmung und Greens Klargesang irgendwann als eine schwerfällig-epische Midtemponummer entpuppt, die mit gniedelnden Soli und walzenden Riffs in eine Platte leitet, die alleine produktionstechnisch wieder mehr Platz zum Atmen und zur Entfaltung hat als zuletzt.
Selten aber doch nutzt die Band diesen geduldigen Raum auf ihren proklamiert progressivsten Album danach für derart kompromisslose Oldschool-Bretter wie den technisch verschwurbelter Trasher I Am the Enemy, der so gnadenlos nach vorne bollert, wie sonst höchstens noch Silent Violence und Vandals Nest: zwei überzeugende Klopper, die weite Distanzen bis zu ihren jeweiligen Horizonten zurücklegen und als kleinster gemeinsamer Nenner für den verprellten Altfan mindestens in Aussicht stellen, live gehörig abgehen zu können. Wenn Sepultura diese Front bearbeiten, nehmen sie eben keine Gefangenen.
An andere Stelle bleiben indes vor allem die ausschweifenden Verzierungen hängen: In der World Music-Adaption Phantom Self bedienen sich Sepultura und Bogren zahlreicher Perkussion-Instrumente (läuft da das Metronom durch?), schielen mit orientalischen Streichern zur Weltmusik, bevor Gitarren und Streicher sich gegenseitig zum etwas zu kitschigen Hummerlflug aufstacheln. Auch der diesbezüglich besser gelungene, so wandelbare Killer Resistant Parasites blickt nach Fernost, während sich Sworn Oath als gar zu aufgeblasener Breitwand-Orchester Metal aufspielt, der Phasen des Leerlaufs mit großen Gesten kaschiert und letztendlich mit hymnischer Kante doch zumindest kurzweiligen Spaß macht.
Vielleicht der Preis, den Machine Messiah für all die assimilierte Kreativität und demonstrative Inspiration zu zahlen hat, die der Platte immer wieder aus allen Poren tritt. Vollends über die Stränge schlägt etwa das furiose Instrumental Iceberg Dances, eine unterhaltsame Rundumschlag-Hatz, die mit elaborierten Arrangementumwege über eine soulige Orgel, das spanische Gitarrero-Solo und Tribal-Bongos so erfrischend lebendig und hungrig klingt, dass es keine Rolle spielt, dass Kisser (sogar in den vergangenen zwei Jahrzehnten) durchaus ikonischere Riffs rausgehauen hat als hier. Vollkommen egal ist das alleine auch dann, wenn sich etwa Alethea zu einer wüsten Stafette aus Brutalität, Aggressivität und walzenden Wendungen zu einem heavy groovenden Morast samt tollem Solo auswächst.
Sobald sich der Kreis der Platte mit dem mäandernd kriechenden, Industrial-affinen Cyber God adäquat schließt, ist das vierzehnte Album von Sepultura ohnedies nicht nur eine vielseitige Angelegenheit geworden, sondern unterstreicht seine Klasse als rundes Gesamtwerk. Zwar erreicht die brasilianische Institution hier nie die herausragende Highlight-Klasse der besten Szenen von etwa Dante XXI, Tiefpunkte ala Nation kommen jedoch niemals auch nur ansatzweise in Griffweite.
Mehr noch: Machine Messiah ist die wohl erste Platte der Green-Phase ohne jedweden Ausfall oder gravierendes Füllmaterial und funktioniert vor allem am variablen Stück als kohärentes Werk mit tadelloser Performance – Green stellt den seit Jahren seiner Form hinterherlaufenden Max Cavalera auf seiner bisher stärksten Arbeit für Sepultura gesanglich mühelos in den Schatten, Eloy Casagrandes Schlagzeugspiel ist schlichtweg hervorragend und die Gitarrenparts werden von Kisser in allen Facetten mit solider Klasse erledigt.
Ohne Langeweile aufkommen zu lassen, knallen Sepultura damit nicht nur eine weitere überdurchschnittlich solide Platte aus der Hüfte, die anstandslos abliefert – der Spagat zwischen spannender Bandzukunft und bestmöglicher Aussöhnung mit den Fanscharen der Prä-Chaos A.D.-Phase könnte anhand dieser 47 Minuten (ein wenig Aufgeschlossenheit vorausgesetzt) sogar (zumindst ansatzweise) durchaus nachhaltig klappen.
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