Senza – Even a Worm Will Turn
Seit 2015 deuten Senza ihr Potential über vereinzelt hinausgeschossene Mini-Attacken bestenfalls an, zeigen nun aber erst mit Even a Worm Will Turn ihr tatsächliches Können: Als würden The Body auf dem Skramz-Zug Purzelbäume schlagen.
Warum das Trio aus Oregon erst mit dem über den Qualitätsgaranten Zegema Beach erscheinenden Debütalbum bündelt und intensiviert liegt auf der Hand: Im Gegensatz zu den sporadisch veröffentlichten Einzelsongs und EPs entfaltet sich das Talent von Senza erst im Großen Ganzen aufgehend, indem es mehr als die Summe seiner Teile darstellt und durch das nötige Volumen im Rücken genügend Raum vermessen kann. Vorauseilende Stücke wie das stakkatohaft auf der Lauer liegende Misornithist oder das dissonant in Schieflage auf Grund gehende Tunnel Vision II brauchen den Kontext von Even a Worm Will Turn, wachsen am Fluß der Platte, um ihre Balance und Größe durch ein herrlich rohes, unberechenbares Chaos im Wellenspiel aus Emoviolence und Screamo zu schlagen, dessen Spektrum bis in den Mathrock, den Post-Hardcore und sogar Andeutungen von Black Metal-Färbungen reicht.
Immer wieder durchziehen instrumental zurückgenommene Interludes das Album, nehmen die agressive Intensität heraus und verdichten dafür die raue, dystopische Stimmung. Der Opener Tunnel Vision I baut sich aus dem atmosphärischen Rauschen gemächlich auf, etabliert flehend-verzweifelte Schreie und kontinuierlich intensivierte Spannung, wo Constant Air of Casual Indifference klassisch gezupftes Gitarrengeplänkel vor einem düsteren Drone-Hintergrund pflegt, das auch Swarm nutzt. Das fördert die Ausstrahlung, Tiefenwirkung und Dynamik der Platte.
Genau genommen bringen diese Intermezzi die Band rein kompositionell betrachtet zwar wenig originär mäandernd und leidlich kreativ nur bedingt vom Fleck. Alleine die Möglichkeit gefahrlos durchzuatmen ist jedoch enorm willkommen und schärft den Fokus für weitere Abfahrten. Wenn etwa Born of Dirt den extrem eng stehenden Sound installiert, die grandiosen Drums bauchig und dumpf bisweilen belastend knüppeln, der metallische Bass garstig rumort und die Gitarren psychotisch-luftig schneiden, während die Stimmen so hysterisch wie bei The Body kreischen – nur weniger nervig und mit mehr Varianz. Schließlich teilen sich Mason (Drums),
Tim (Bass) und Jamie (Gitarre) das live gar nicht erst vorhandene Mikro und brüllen, keifen, fauchen und schreien sich die Kehlen unverstärkt vom restlichen Sound umringt wund. Die Hinzunahme von Rosa Delgado (Clavel
) für Imposter kann da als Doppelspitze am Gesang deswegen auch erst wie punkiger Indie als schiefes Delirium klingen, wenngleich letztendlich epische Überbauten und unberechenbare Eruptionen gleichermaßen wie kontemplative Nachdenklichkeiten möglich scheinen.
So geschlossen das ganzheitliche Even a Worm Will Turn im Grunde jedoch auch ist, so imposant ist der qualitative Anstieg, den die Platte in ihrem Verlauf hinlegt: Erst ab knapp der Hälfte sind Senza tatsächlich auf Betriebstemperatur angekommen und machen aus einer guten Platte immer mehr eine durchaus herausragende.
Sentience hat eine böse Hymnik im desorientierenden Wahnsinn und knüppelt wie im Rausch vor dem metalischen Tobsuchtsanfall Inner Immolation, der wiederum den nahtloser Übergang zum überragenden Titelsong findet, der nervöse Gitarren assimiliert, sich wie von Sinnen aus dem Doom speist und am Lagerfeuer sitzt, bevor Echoes als neunminütiger Monolith endet, der seinen ausgebluteten Kadaver erst durch den Morast schleppt und dann aggressiv über zahlreiche Wendungen voranpeitscht.
Dieses letzte Drittel der Platte mag dann auch alles vorangegangene überstrahlen, zündet ein furioses Songwriting jenseits der Ästhetik und infektiösen Spielwut, wäre aber ohne gerade diese Vorarbeit überhaupt gar nicht erst möglich gewesen: Even a Worm Will Turn steigert sich von Minute zu Minute, baut auf den Errungenschaften der vorangegangenen Kraftanstrengungen immer weiter empor und wächst letztendlich ein gutes Stück über sich hinaus. Senza gelingt damit in einem von Enttäuschungen und den einen oder anderen Euphorieschüben geprägten Genrejahrgang eine immer fantastischer werdende Talentprobe.
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