Self Hypnosis – Contagion of Despair

von am 1. September 2020 in Album

Self Hypnosis – Contagion of Despair

Kris Clayton und Greg Chandler bürgen mit ihren Stammbands Camel of Doom und Esoteric für Qualitsdoom und damit auch für Self Hypnosis, schicken das dazugehörige Debütalbum Contagion of Despair aber darüber hinaus aber in weitaus abenteuerlichere Gefilde.

Mit Lychgate-Drummer Tom Valleley als Erfüllungsgehilfe ist der Nährboden von Self Hypnosis im Sound, der Produktion und Ästhetik der Stammformationen von Chandler und seinem (rund um, aber nicht auf The Maniacal Vale direkt vertretene) Ex-bzw.-Jetzt-Wieder-Bandkollegen und hier als Mastermind agierenden Kumpel Clayton klar erkennbar. Dafür sorgen zudem auch alleine die Stimmen der beiden, einerseits mit gnarlig-röchelnder Hässlichkeit aus unsagbaren Tiefen hervorkriechend und andererseits im Hall hinausgerufenen Space (irgendwo zwischen weniger heroischen, eindimensionaleren Kylesa oder Baroness der Frühphase und reduzierter Jon Davis-Martialität).
Doch abseits der ständig spürbaren Spurenelemente in der DNA wird praktisch unmittelbar klar, weswegen Contagion of Despair dennoch weder im Kontext von Camel of Doom, noch von Esoteric (selbst im Windschatten des ohnedies so variablen A Pyrrhic Victory aus dem Vorjahr) veröffentlicht werden konnte: Der Doom ist hier eigentlich nur Grundlage und streift gleich zu Beginn absolut progressiv über selbstreferentielle Anhaltspunkte hin zu überraschend vielfältigen Assoziationen.

Contagion eröffnet etwa als Melange aus Godflesh (später wird nicht nur wegen der harten Prägnanz der Beats in Scandal eine absolut prägnante Nahverwandschaft zu Broadrick längst offensichtlich und allgegenwärtig sein) sowie Oranssi Pazuzu, die nach und nach von Clayton skandierend in einen Meshuggah‘esken Groove gebrüllt wird, repetitiv brütet, während Chandler noch im Hintergrund lauernd sein imposantes Organ texturieren lässt, die weitschweifenden Synthies in psychedelische Sphären driften. Immer wieder bremst sich das rhythmisch erst noch verquer wirken könnende, später aber relativ direkt auf Linie gebrachte Geflecht aus, wechselt die Auslage und will es sich zwischen den Stühlen nicht bequem machen. Schon hier zeigen Self Hypnosis jedoch keine Unausgegorenenheit oder Ziellosigkeit, sondern heben die Freiheiten abseits der durchaus mit Pflichten einhergehenden Hauptbands auf das Podest.
Ein Umstand, der mit Fortdauer der Platte noch deutlicher wird, wenn das um mantraartige Schwerpunkte kreisende Spektrum von Contagion of Despair stilistisch (neben einigen zu vollmundig herbeizitierten Assoziationen) noch weitschweifender aufgeht, der niemals nur tektonische  Doom mit so vielen Facetten und Reibungspunkten in Berührung kommt, sein Gewicht ständig neu verlagert und so ein selbst über an sich auslaugende 78 Minuten Spielzeit überraschend kurzweiliges Kaleidoskop entwickelt – auch, weil das Trio den Fluß der Platte alternierend mit (längen- und ambitionstechnisch) monumentaler verankerten Epen mit in drei in Relation jeweils straighter angelegten, vor allem aber kompakteren Nummern dynamisch ankurbelt.

In Empowered (Restricted) werfen sich die beiden treibenden Kräfte der Platte den Wechselgesang gegenseitig und gleichberechtigt zu, gehen Hand in Hand in einem beinahe math-signierten Stoizismus mit dem Dialekt des Post Industrial. Omission eröffnet als pastoral-mystische Drone-Klanglandschaft für eine doomige Riffkaskade in den zähflüssigen Sludge, findet irgendwann auch wieder zu einer ambienten Kontemplation zurück – um aus dieser mit Akustikgitarren am Neurosis-Lagerfeuer zur orchestralen Endzeitballade a la Crippled Black Phoenix emporzusteigen, deren chorales Durchatmen kurz vor Schluß eine metallisch beißende Attacke im Finale zulässt. Divided setzt sich lange ans Piano, beschwört Spannungen mit engen Zügeln an der Snare herbei, explodiert an diesen sogar geradezu chaotisch mit manischer Rhythmik und hyperventilierenden Gitarren. Die enorme Spielfreude steigert sich in einen gelösten Jam und bremst dann wieder ins epische, behält aber zumindest die Drums unter Strom. Der Weg zum kammermusikalischen Folksegment vor einem monumentalen, letztendlich völlig frei drehenden Abgang, gerät trotzdem absolut natürlich, obwohl die Angelegenheit noch stimmiger überzeugt hätte, wenn das flötierende Motiv nicht aus dem Keyboard gezogen worden wäre.

Als Symbiose aus dem Erbe von Ministry und einer postmetallisch-trippigen Weite überzeugt in Leeches gerade die ausladende Bridge hinter dem Kontrast aus scharfkantigen Riffs und einer gefühlt zum Orient schwelgenden Lead, bevor Succumbed auf melancholischen Synthieflächen und elegischen Gitarren erst eine vage Erinnerung an My Dying Bride und Type 0 Negative treiben lässt, dann aber doch eher YOB oder Bell Witch im Sinn hat, wenn die suchende Schönheit immer mehr einer gepeinigten Verzweiflung anheim zu fallen droht, das Szenario bis kurz vor den Stillstand getragen wird und die Hohheitsgebiete von Esoteric nahe wie nie kommen. Die Gitarren schrauben das Szenario auch mit Pathos zwar noch einmal hoch, impfen eine Direktion zu Tempo und Dringlichkeit ein, doch haben Self Hypnosis ihre Balance und Fassung  in einer düsteren Geduld gefunden.
Wie scheuklappen- und ballastfrei die szeneprominente Band auf ihrem Debüt agiert, kann dabei weitestgehend aufwiegen, dass der Gesang (gerade im Falle des zu monoton und limitiert intonierenden Clayton als subjektive Achillesferse) da in Sachen Progressivität leider nicht immer mitkann, und dem eher als Gesamtmasse überzeugenden Ganzen die restlos erinnerungswürdig herausragenden Einzelmomente fehlen mögen. Zumal sich Contagion of Despair ohnedies nicht nach einem einmaligen Nebenprojekt anfühlt, sondern durchaus die Tragweite eines weiteren Mutterschiffs für alle Beteiligten erzeugt.

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