Secret Machines – Awake in the Brain Chamber
Als wären sie nie weg gewesen: Brandon Curtis und Josh Garza reaktivieren mit Awake in the Brain Chamber zwölf Jahre nach dem selbstbetitelten Drittwerk den Space Rock-Anachronismus der Secret Machines.
2008 schien mit dem nahenden Ende des Jahrzehnts auch die Luft bei der Band aus Dallas draußen zu sein: Secret Machines war nach den beiden starken Vorgängern Now Here is Nowhere und Ten Silver Drops nicht als Neustart (nach dem Ausstieg von Gründungsmitglied Benjamin Curtis für die Konzentration auf School of Seven Bells) zu verstehen, sondern als kraftloses und uninspiriertes Aufbäumen einer nur noch leidlich motivierten Gruppe, die den Wegfall eines elementaren Mitgliedes nicht aufwiegen konnte. Wenig verwunderlich, dass das an sich bereits geplante vierte Studioalbum namens The Moth, The Lizard And The Secret Machines ohne den Rückenwind des Momentums kurzerhand in die Tonne gekloppt wurde und Brandon sich auf seinen Job als Tour-Keyboarder von Interpol konzentrierte, während Garza familiäre Ziele am anderen Ende der USA ansteuerte.
Dass Brandon mit ein wenig Abstand nicht von seiner Band lassen konnte und ab 2012 wieder an potentiellem Material zu arbeiten begann, für das sein Bruder gar kreativen Input und einige Gitarrenideen beisteuerte, war jedoch eine Initialzündung zu einem letztendlich nur langsam zurückgelegten Weg hin zu Awake in the Brain Chamber: Ben verstarb 2013 an Krebs und Benjamin schichtete sein Interesse daraufhin erst einmal zu einem neuen Projekt namens Cosmicide um – aus deren Fundus nun übrigens zumindest sechs Songs in die Basis des Secret Machines-Comebacks eingeflossen sind – welches nach einem gemeinsamen Auftritt mit Garza jedoch vorerst bei den Akten gelandet sind: Die alte Energie, sie war für das verbliebene Duo eben dann doch noch greifbar.
Und zwei weitere Jahre, nachdem Garza seiner Frau während einer Krebserkrankung Beistand und den gemeinsamen Nachwuchs Willkommen hieß, war die über zwei Live/Archiv-Sichtungen angedeutete Rückkehr der Secret Machines in Form eines vierten Studioalbums tatsächlich besiegelt.
Mit dieser turbulenten Ausgangslage einer dramatischen Entstehungsgeschichte ist Awake in the Brain Chamber ein geradezu stoisches, in sich ruhendes Manifest geworden, das durchaus als unverrückbare Konstante im Gefühlshaushalt der beiden Protagonisten Garza und Curtis verstanden werden kann, quasi als Fels in der Brandung.
Was so aus kompositioneller Hinsicht auch seine Schattenseiten zeigt: Wo die Songs der Band früher auch einmal Wendungen parat hatten, die den Ausbruch zur euphorisch überwältigenden Geistesblitz schafften, bewegt sich Awake in the Brain Chamber auf einem konstanten Plateau, verfolgt die grundlegenden Ideen einer Nummer konsequent und weniger variabel. Was auch der relativ genormte Spielfluß aus der abwechselnden Reihung einer langsamen Nummer gefolgt von einem zügigeren Song ausdrückt: Die Musik der Band ist statischer, die zugänglich geformten und konventionell angeordneten Strukturen eher Nabelschauen als Expeditionen – die Secret Machines streben diesmal Rückhalt und Sicherheit an, keine Abenteuer oder Experimente.
Im besten Sinne wertkonservativ kommen die kurzweiligen 31 Minuten der Platte damit aber auch einem Gefühl des Nach-Hause-Kommens gleich, einem nostalgiefreien Trip in das Jahr 2004. Schon alleine der Sound mit seiner wuchtigen, erdigen, aufgeräumten, präzise artikulierten Rhythmussektik um eine aus den Boxen platzende Kickdrum ist gleich ein direkter Anschluss an das Debütalbum, während 3, 4, 5, Let’s Stay Alive generell ein stimmungsvoller Einstieg ist, wenn sich die Gitarren sphärisch über das elegisch schwelgende Stück ausbreiten. Dreaming Is Alright drückt dagegen nach einem kurzen Wirbel trocken im Stakkato tackernd auf das Gaspedal, assoziiert Nowhere Again, auch wenn die flächig funkelnden Gitarren mittlerweile eher am Shoegaze als an Led Zeppelin interessiert sind, die Instrumente im Mix über dem Gesang stehen und die Melodien keine überwältigende Präsenz vor der Ästhetik mehr erzwingen. Schöner ist es deswegen, wie Talos‘ Corpse in Trance entschleunigt zu einem hypnotischen Schlagzeug mit eingestreutem Beat träumt, einen verführerischen Ohrwurm mit Tendenz zum Mäandern umgarnt.
Everything’s Under zieht danach wieder energischer nach vorne, mit spitz aus der Gitarre tröpfelnder 80er-Patina, doch erst im kontemplativer ausgelegten Everything Starts, das seinen Refrain sehnsüchtig in den Himmel schickt, wird die Klasse der ersten beiden Studioalben beinahe wieder greifbar, wenn sich die Formen erblühend öffnen.
Nur selten wandert die Band derart freigespielt über den Horizont in die Umlaufbahn: Angel Come dreht sich mit psychedelischer Aura sedativ im Kreis und funktioniert nur im Kontext, A New Disaster übersetzt diese Ausgangslage gelöster und harmonisch-optimistisch.
Trotzdem geht dem Duo nicht in letzter Konsequenz der Knopf auf, es gibt keine Impulsivität – wenngleich So Far Down etwas überschwängliches, weiches und versöhnliches transportiert, regelrecht musicalhaft und poppig. Eine feine Tendenz mit Zukunftsvision, die das Spektrum endlich aus der Komfortzone öffnet. Doch auch wegen eines zu abrupten Endes fühlt sich Awake in the Brain Chamber danach weniger wie eine erschöpfende Rückkehr an, als wie eine kompakte Aufwärmübung. Was schon passt: Um das schwache 2008er Werk praktisch aus dem Stand heraus vergessen zu machen, genügt das ebenso spielend, wie es die alte Leidenschaft für die Secret Machines neu entfacht. Willkommen zurück.
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