Scott Kelly and The Road Home – The Forgiven Ghost in Me

von am 20. August 2012 in Album

Scott Kelly and The Road Home – The Forgiven Ghost in Me

Auch wenn Scott Kelly seine Erfüllungsgehilfen auf Solopfaden mittlerweile zum Band-Appendix im Titel erhebt, ändert das wenig an den etablierten Gegebenheiten: die Neurosis-Legende spielt auch ihrem dritten Quasi-Alleingang tiefdunklen Knochenblues auf der Westerngitarre.

Und bewandert damit die selben Pfade, die bereits ‚Spirit Bound Flesh‚ (2001) und das fabelhafte ‚The Wake‚ (2008) erforscht haben: rauhe Wege sind das, hoffnungslose und karg inszenierte Songsteppen, deren einzige Stützen zumeist eine blutende Akustikgitarre und Scott Kelly’s schwermütig resignierende, in unzähligen Stunden bei Neurosis, Shrinebuilder und sonstigen Gelegenheiten (Blood & Time, Mastodon) geschundenen Grabesstimme darstellen. Sie beide schleppen sich auch auf ‚The Forgiven Ghost in Me‚ durch zerklüftete und hooklose Songwüsten, die stilistisch weit von Kelly’s Stammband vegetieren, atmosphärisch aber dem gleich Alptraum entsprungen sind. ‚Within It Blood‚ sammelt im Hintergrund so sphärische Soundbögen und öffnet sich dadurch natürlich trotzdem nicht: ‚The Forgiven Ghost in Me‚ ist eben trostlos bis auf die Knochen, erbarmungslos intensiv, unerbittlich eindringlich und derart hoffnungslos lichtleer, das es zum verzweifeln ist.

Scott Kelly bei seinen apokalyptischen Lagerfeuerpredigten ohne jegliche offenkundige Wärmeausstrahlung zu lauschen, ist  nach wie vor keine angenehme und beiläufige Sache, es ist anstrengend und in seiner Monotonie phasenweise auch ermüdend, wenn man es nicht in der richtigen Stimmung tut. Ist dies jedoch der Fall, tun sich auch auf ‚The Forgiven Ghost in Me‚ erhaben sperrige Monolithen zwischen Singer-Songwriter-Ungetümen, depressiven Western und Country-Anleihen, ungemütlichen Folksprengseln und der unbequemen Niedergeschlagenheit des Blues auf. Dann ist Kelly nicht weit von dem entfernt, was Mark Lanegan einst beschworen hat und Waldschratt-Kollege Steve von Till in ähnlichen Gefilden zusammenbraut. Dass (der Neurosis-Keyboarder und Produzent) Noah Landis und (der ehemalige Sorrow Town Riders Frontmann) Greg Dale mittlerweile als The Road Home hinter Scott Kelly positioniert sind, ändert nichts am Ausgangspunkt, ‚The Forgiven Ghost in Me‚ destilliert abermals schonungslos offen die abgrundtiefe Innenansicht auf das Seelenleben der Post Metal-Legende Kelly, hier wird mit schmutzigen Fingern am offenen Herzen operiert.

Dennoch gestattet ‚The Forgiven Ghost in Me‚ sich selbst und der schleichenden Evolution im Soundbild der Solokarriere Kelly’s immer wieder fein akzentuierte Facettenjustierungen. Der Albumhöhepunkt ‚The Field That Surrounds Me‚ hantiert mit dezent im Erdboden vergrabenen Todesbluesreferenzen und späht in schroffe Doomjazz-Lande, erblickt dort nicht nur die Neurosis Kumpanen Jason Roeder (mit gar triumphloses Schlagzeugspiel) und A Storm of Light– Vorstand Josh Graham, sondern auch eine vor Schwermut vibrierend Saxofonleiche, während für Kelly ringsum die Welt untergeht. Slidegitarren heulen immer wieder den Mond an, ob die Ziehharmonika im Untergrund von ‚We Burn Through The Night‚ Wahnvorstellung ist, will man gar nicht so genau wissen. „Death brings the rain to the river and I walk from the shore waiting/ The stones in the river bring hell to the heart/ All truth is denied, we will fall in the sun“ presst Kelly aus seinem Innersten hervor und meißelt damit auch an seinem eigenen kleinen Denkmal, das vielleicht nie fertig gestellt sein wird. Dass darüber niemals die Sonne scheinen wird, steht hingegen schon jetzt fest. Denn wo Scott Kelly seine Zelte aufgeschlagen hat, ist die Nacht zwar immer am tiefsten, der Tag deswegen jedoch noch lange nicht zwangsläufig am nächsten.

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