Scarcity – Aveilut
Scarcity sind der Multi-Instrumentalist und Dirigent des Glenn Branca Ensemble Brendon Randall-Myers sowie Doug Moore (Pyrrhon, Weeping Sores, Glorious Depravity und Seputus); ihr Debüt Aveilut ist ein avantgardistischer Black Metal-Rausch, der das Totalismus-Gütesiegel auch tatsächlich verdient.
In fünf praktisch durchgängige, aufeinander aufbauende Segmente unterteilt ist Aveilut – das hebräische Wort für Trauer – eine existentialistische Suite, die Verluste rund um die Zeit der ersten COVID-Lockdowns mit verzweifelter Intensität aufarbeitet. „Jute Gyte, Krallice, Mare Cognitum, and Ehnahre – with hefty doses of post-Branca microtonal guitar abuse, and a cinematic scope that draws on Randall-Myers’ work with orchestras“ werden da als Referenzpunkte angegeben, womit das Duo aus Brooklyn einen adäquaten assoziativen Rahmen für seinen Black Metal definiert, der sich ebenso greifbar wie surreal, ebenso körperlich wie transzendent manifestiert -als brutale Meditation. Am wichtigsten ist dabei der Fluss, der so instinktive Rausch, dem Aveilut sich hingibt.
I wärmt sich langsam über den hintergründigen Schleier sägender Gitarren auf, die von den Spannung anziehenden, polternd-martialischen Drums oszillierenden. Systematisch um wenige Millimeter verschoben funkeln die finstrerem Saiten und haben etwas kontrolliert hyperventilierendes, sehnen sich nach der Abwärtsspirale, die dahinter von Drums und gefühlten Myriaden an Texturen die eigentlich fesselnden Welten aufschleifen, dystopische nachdenkliche Abgründe düster in einen klaustrophobischen Mahlstrom führen, der sich kurz vor dem Ende mit harsch gefauchten Death-Gekeife in diese Welt stürzen lässt, aufgehend, stoisch durch eine hypnotische, psychedelische Unterwelt taumelt und eilt und wirbelt.
II übernimmt dort sludgig im Groove des Post Metal von Russian Circles, konterkariert den tieftönend grummelnden Hummelflug mit heller in die Höhe ausbrechenden Schattierungen – was die an sich monotone Repetition erstaunlich catchy macht. Später mutiert das, als würden Gnosis seine Black Metal-Tendenzen erst ohne Blastbeats konsequenz durchziehen und sich für den polternden Noise Rock entscheiden, den dann immer turbulenter ankurbeln und das Amalgam in ein reißendes Monstrum verwandeln, das dann doch noch die tackender Rhythmen in den Blackened-Strom lenkt.
Aveilut steht hier so dicht, fesselt mit seinem komprimieren Druck auf engsten Raum, der aber Teil einer größeren Welt zu sein scheint; ein krautiger Jam sein könnte, wenn nicht jede Wende so akribisch und konzentriert passieren, die Band wie ein pechschwarzer Vogelschwarm der Verdammnis ihre Bahnen perfekt synchronisieren ziehen würde, in naturalistischer Symmetrie. In II jedenfalls folgt die Band dem besagten Fluss mit manischer Konzentration bis in immer psychotischer Gefilde der Apokalypse und bereitet den ersten Klimax der Platte vor.
III springt nämlich endgültig mit Blastbeats über – super übrigens, dass der Bass stets so spürbar zu vernehmen ist, wenngleich er im Gitarren-Geflecht schwer zu lokalisieren ist – und arbeitet aggressiv von der Tarantel gestochen, derweil Moore als Meister seines Faches mit einer so ideal akzentuierten Performance bestialisch von den Wänden hallt. IV atmet nach diesem puren Ventil im Drone und Feedback aus, growlt am Caverncore zum Zeitlupen-Wellengang, bringt das einleitende Motiv mit hymnischer, postrockiger Grandezza zurück und tränkt es in Feedback und Effekten. Scarcity überstürzen nichts und tauchen bis in den Ambient, entwickeln die Dinge konstant und geduldig. Das mag – durchaus symptomatisch – auf den ersten Blick beinahe simplizistisch wirken, besticht aber mit der brillanten Ausführung und der Modulation der Details, dem Timing und den Nuancen, der Reichhaltigkeit.
Insofern ist V nicht nur die Krönung der Platte nach dem bisher eigentlich klassisch zur Mitte gespitzen Spannungsbogen, sondern ein Highlight des bisherigen Metal-Jahrgangs, indem sich der Totalismus in seinem aufgeschichteten Minimalismus in aller Größe zeigt: Hier baut sich die Essenz der Platte in seinen Tremolo-Schichten zu orchestraler Majestät jenseits von Liturgy auf, besticht mit einer sinfonischen Dramatik voller verzweifelter Schönheit und tragischer Anmut, strahlt jedoch auch eine versöhnliche Hoffnung in die Finsternis. Vielleicht liegt es auch an diesem erfüllenden Conclusio, dass Aveilut ein wenig mit dem Gefühl entlässt, die Geschichte von Scarcity bereits in erschöpfender Konsequenz im ästhetisch gegebenen Radius auserzählt zu haben.
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