Savages – Silence Yourself
Savages fordern ‚Silence Yourself‚, eröffnen mit dem Befehl ‚Shut Up‚ und plakatieren am Albumcover ihr eigenes Pamphlet: „If the world shut up even for a while/ Perhaps we would start hearing the distant rhythm of an angry young tune – and recompose ourselves„. Das Damenquartett aus London weiß eben, wie man sich nicht nur effektiv in Szene setzt, sondern sich auch nachdrücklich Gehör verschafft: mit packend im Wirkungskreis von Wave-Veteranen und kantigen um sich schlagenden Ohrwürmern.
Ohne zumindest einmal Siouxsie and the Banshees zu erwähnen wird es wohl kein Text über die volle Distanz schaffen aufzuzeigen was für ein drückendes, konsequentes und auch selbstsicheres Werk Savages mit ihrem heiß erwarteten Debütalbum vorgelegt haben. Eines, dass den seit 2012 kontinuierlich eingefahrenen Vorschusslorbeeren spielend gerecht wird und die Qualitätslatte der vorangegangenen Singles und der ‚I Am Here‚-EP als einfachste Übung schlicht niederreißt. Warum da neben Siouxsie Sioux und hinter dem beinahe sludgig dick nach vorne gehenden Postpunk/No Wave/Indie & Noiserock-Sound im Zusammenhang mit Savages auch immer wieder die Rede von Artverwandten wie Wire, Joy Division oder Gang of Four ist, klären da hingegen nur einzelne Passagen, nicht aber ‚Silence Yourself‚ im Gesamten: wo dort die Instrumente gerne zackig sticheln rollen sie hier lieber als eine jeden Widerspruch missduldende Naturgewalt einher. Die ausgemergelte Produktion von Jehnny Beth’s altem John & Jehn-Kumpanen Johnny Hostile ist dafür paradoxerweise auch schlicht zu massig.
‚Shut Up‚ gönnt sich als Startpunkt zwar nicht die Rede seiner Video-Variation, sehr wohl aber ein atmosphärischen Sample-Interlude – bevor Savages den Bass gurgeln und die Gitarren gackern lassen, schlicht unwerfend energisch losstapfen. Jehnny Beth singt, als würde um sie herum ein Sturm wüten, und irgendwo stimmt dass dann ja auch. Als wären Be Your Own Pet erwachsen geworden und hätten PJ Harvey aus der Film Noir-Dunkelheit ans Mikrofon gezerrt. Savages trampeln kompromisslos in den Noise-Ansatz den man auch für den rhythmischen Rundumschlag ‚I am Here‚ nicht verlassen will. Und in dem die Band abermals gleichzeitig unheimlich fokussiert und zielstrebig, jedoch trotzdem absolut losgelöst randaliert. ‚City´s Full‚ hat dann vor all der lasziv inszenierten Ruhelosigkeit ein ausgeprägtes Faible für Metalgitarren, das kompakte ‚Hit Me‚ inszeniert den Gun Club im Damenpunk-Format.
Savages machen dabei nie den Fehler, sich zu eindemsional auf ihr Händchen für tanzflächenfüllenden Hits zu verlassen und schrauben ‚Silence Yourself‚ zu einem variablen, dynamischen Wechselbalg zusammen. Wo ‚Strife‚ also noch schwer ins Majestätische walzt, gibt ‚Waiting for a Sign‚ die balladeske Feedback-Wehklage mit ordentlich psychedelischen Punch. Aus diesen Nebelmeer kriecht das beunruhigende Ambient-Interlude ‚Dead Nature‚ nur langsam hervor. ‚She Will‚ zeigt dafür am anderen Ende umso getriebener wo die Reise für The Long Blondes noch hingehen hätte können. Und wenn Savages den Song mit scheppernden Becken explodieren lassen darf man die Nase ob der letzten Yeah Yeah Yeahs-Platte sogar noch ein wenig enttäuschter rümpfen. Zumal Savages im letzten Drittel erst so richtig aufdrehen.
‚No Face‚ ist eine hyperventilierende Rock’n’Roll-Achterbahnfahrt mit heulenden Motoren, ‚Husbands‚ die grandios scheppernde Brechstangen-Single mit der vielleicht schmissigsten Badass-Gitarrenabfahrt des bisherigen Noiserock-Jahres. Sobald Savages für ‚Marshal Dear‘ das Tempo also wieder drosseln hat das etwas von der Ruhe nach dem Sturm. Ein Piano darf über dem massiven Bass perlen, Jehnny Beth vor verwunschenem Szenario croonen und vorführen, warum man auf dem hauseigenen Pop Noire das vielleicht treffendst möglich betitelte Label im Hintergrund werkeln hat. Spätestens wenn geschmeidige Jazz-Töne den Song behände ausblasen sollte dann auch klar sein, dass hinter dem Hype, hinter all diesen frontal funktionierenden Hits die Erkenntnis wächst, dass Savages sich wohl keineswegs als kurzweilige Sensationsmodeerscheinung verheizen lassen wollen. Wo die Frauenquote im Rock ohnedies nicht die höchste ist bieten sich die vier Londoner vielmehr als potentielles Sprachrohr für die Zukunft an.
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