Santigold – Master of My Make Believe
Vier Jahre und einen Vokalwechsel nach dem durch die Decke gehenden Debütalbum legt Santi White nach. ‚Master of My Make Believe‚ will nicht den Trends vorwegmarschieren wie ‚Santogold‚, sondern funktioniert als Reflektion der aktuellen Musiklandschaft im breiten Sprektrum.
Das fängt schon bei der Ästhetik des von Jason Schmidt inszenierten Albumcovers an, das die zur Santigold unbenannten Amerikanerin verdreifacht zwischen klassischer Herrschaftsattitüde, aggressivem Hip Hop Klischee und Grace Jones Anleihe in Szene setzt. Von den vielen Rückschlägen, den Selbstzweifeln und Diskussionen, die Santi White auf dem Weg zu ‚Master of My Make Believe‘ hinter sich bringen musste, kündigt das Artwork in keinster Weise. Spart Hinweise die Kritik aus, welche die Plattenfirma an Whites Songs hatte, da sich keine so alles erschlagenen Hits finden wollten, einer Kritik, die letztendlich eine Flucht in die Karibik mit sich zog. Keine Reminiszenz an die Terminprobleme, die es zu überwinden gegolten hätte, um wieder mit Lieblingsproduzent Diplo arbeiten zu können. Nicht der Funken einer Ahnung von dem nagenden Unmut darüber, dass heute Kunstprodukte wie Nicky Minaj oder LMFAO die Charts anführen – mit Stilmixen, für die mitunter auch White 2008 den Weg frei machte. Diesen Unmut hat Santigold letztendlich ohnedies über medialem Weg in der Öffentlichkeit verarbeitet und doch macht diese Episode klar: Der Weg zum Zweitwerk, er war ein schwieriger.
Die mittlerweile auch schon vor einem Jahr veröffentlichte erste Single ‚Go!‚ marschiert dennoch gleich von Beginn an zielstrebig rumpelnd voran, drückt man ihrem „Hey, Hey!„-Part immer noch auf die Nerven und bringt Yeah Yeah Yeahs Sängerin Karen O ins Spiel. Dabei hätte dieser das wunderbar sentimentale ‚This Isn´t Our Parade‚ wohl besser gestanden, quasi ‚Show Your Bones‚ im ‚It´s Blitz‘ Gewand. Weil man schon beim Thema Vorzüge ist: Diese arbeitet ‚Disparate Youth‚ noch vorzüglicher hervor: Mit aufgekratzter Punkrock Basslinie wächst ein melancholisch getriebener Electrorocksong, der Santigold ebenso auf der Höhe der Zeit zeigt, wie er die Jahre seit ‚Santogold‚ im Rückspiegel hat. ‚Look At These Hoes‚ will als Reaktion auf den Hip Hop getriebenen Neonmüll verstanden werden, den etwa Nicky Minaj in regelmäßigen Abständen in die Charts hievt.
Und wer beim hektisch pumpenden Stampfer ‚Fame‚ oder dem neurotischen Sampledancefloorhüpfer ‚Freak Like Me‘ immer noch behauptet, dass die Vergleiche zu Madonna Spezi M.I.A. zu kurz greifen, hat zwar nach wie vor recht, aber versäumt eben auch die nächstgelegene Referenz. Dass es all dieser musikalischen Statements nur bedingt bedurft hätte, steht jedoch auf einem anderen Blatt Papier.
Die Ausfälle auf ‚Master of My Make Believe‚ stehen allerdings im Schatten der besseren Momente. Wenn die Verneigung vor Kate Bushs ‚Running Up The Hill‘ derart geschmacksicher als ‚The Keepers‚ ein paar Jahrzehnte später in die Gehörgänge fliest. ‚God from the Machine‚ steht stramm zum Marschrhythmus als ektronischer Dubsong, die Frage nach fehlenden Hits ist obsolet. Denn davon hat dieses Zweitwerk in allen schillernden Farben des Referenzbogens zahlreiche im Angebot, auch wenn es keinen Nachfolger zu ‚L.E.S. Artists‘ gibt.
Am besten ist Santigold auf ‚Master of My Make Believe‚ aber in jenen Momenten, wenn die eigene Punkvergangenheit in Form gemäßigter Popsongs im weltoffenem Outfit und unaufgeregter Rockschräglage auftreten. Dass beim qualitativ führenden Trio ‚This Isn´t Our Parade‚, ‚Disparate Youth‚ und ‚The Riot´s Gone‚ Yeah Yeah Yeahs Mann Nick Zinner mitgeschrieben hat, bleibt ebenso im Hinterkopf abgespeichert, wie die Erkenntnis, dass die riesige Produzentenschaar von Q-Tip bis TV on the Radio Mastermind Dave Sitek Diplo nur bedingt ersetzen können – selbst wenn die einzige Zusammenarbeit ‚Pirates on the Water‘ als leidlich spannender Dubausflug am Songwriting krankt. Dass ‚Master of My Make Believe‘ gegen Ende wieder den Geschmacksfaden verliert und mit ‚Big Mouth‘ anhand der uninspiriertesten Santigold Nummer überhaupt verabschiedet, hinterlässt einen unnötig faden Beigeschmack.
Trotzdem eine feine Sache, dass sich Santigold dazu aufraffen konnte, das „schwierige Zweite Album“ endlich zu stemmen. Mit weniger Rundumsicht und mehr Vorausblick, mehr Konsequenz bei den Stärken statt Vielfalt in der Auswahl hätte es dann auch thematisch gepasst, das Albumcover.
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