Samia – The Baby
Post-Teenage-Herzschmerz aus dem behüteten Elfenbeinturm, aber verdammt: Was gelingen der 23 Jährigen Samia Finnerty (und Unterstützern wie brotherkenzie) auf ihrem Debütalbum The Baby für großartige Bedroom-Popsongs!
Von der Ausgangslage – Mutter Kathy Najimy und Vater Dan sind beide in der Unterhaltungsbranche um Hollywood tätig, Kontakte sollen da schnell geknüpft gewesen sein – scheint Samia begünstigt, doch machen wir uns nichts vor: In die Wiege gelegte Connections können die Erwartungshaltung schnell auch die Kredibilität beeinträchtigen und adoleszenter Pop ist im Jahr nach (dem ähnlich begünstigt aufgewachsenen) When We All Fall Asleep, Where Do We Go? zudem ohnedies eine schwierige Sache.
Doch wo The Baby im hinreißend flehenden, sparsam inszenierte Schlusspunkt Is There Something in the Movies? etwa am Tod der Familienfreundin Brittany Murphy angelehnt ist, aber über einer introspektiven Kontemplation mit fragil-verletzlichem Americana-Flair trotzdem eine allgemeine Sicht findet, passt es da durchaus, dass Samia lyrisch grundsätzlich universelle Themen behandelt – Clueless hat ja quasi auch durch alle Klassen des Publikums funktioniert.
Letztendlich würde all dieser Background und Start-Vor/Nachteil ohnedies nichts wert sein, wenn die Songs nicht die nötige Substanz hätten, um entsprechend aufzuzeigen.
Und das tut The Baby, allen voran gerade mit einer frontal geparkten Wagenladung an herrlichen Ohrwürmern. Das musikalisch höchstens ästhetisch representative, inhaltlich aber bereits exemplarisch dem juvenil-melancholischen Existenzialismus frönende Pool lässt sich kaum merklich anfeuern, erwacht aber erst ätherisch, bedächtig und schwelgend aus dem sanft flimmernden Ambientmeer. Ein behutsamer Beat schiebt sich pulsierend unter die Texturen, den sphärischen Gesang, die nur erahnbare Gitarre. Fit N Full ist ein netter, angenehm gelöster Singalong, der seinen Suchtfaktor außerhalb der milden Sommertage vielleicht nicht unmittelbar zwingend aufdrängt, aber absolut liebenswert entwaffnet sogar ein harmloses Solo herbeiträumt. Der bittersüßer Gitarrenpop von Big Wheel ist der wohl charmanteste Hit, mit seiner Ethereal Wave-Patina und nonchalanter Unaufgeregtheit, während Limbo Bitch rhythmischer veranlagt etwas wuchtiger tänzelt, im Refrain abwartend zappelt, und Stellate sich mit einer wunderbarer Hook im Dreampop-Kreis drehend in den Sternenhimmel blickt: Wie sorglos all die Last eines jungen Lebens doch klingen kann.
Zwar gönnt sich die Platte danach im hinteren Verlauf Schwachstellen – keine Ausfälle! – die dann eben doch schwerer wiegen lassen, dass man ähnliches von unzähligen Kolleginnen schon nahezu deckungsgleich gehört hat. Die säuselnde Einkehr Triptych nimmt etwa die Aufbruchstimmung mit und zieht den optimistischen Abspann vor, bleibt aber wie das folkig zu subtilen Bläsern gezupfte Does Not Heal (das noch kein Versprechen an die Ablöse von Marissa Nadler ist) oder das sommerlich-verblasst zur der Classic Rock-Annäherung liebäugelnde Minnesota zu unverbindlich und im direkten Vergleich zu den Highlights kaum essentiell.
Doch selbst in den leersten Metern (im füllenden Standard Waverly als modernen Geistesverwandte von Lesley Gore oder dem reduziert pluckernden Winnebago, das trotz forcierten Intensivierung keine Katharsis erzwingen kann) überzeugt The Baby zumindest mit einer kecken Liebenswürdigkeit, deren Beiläufigkeit immer noch etwas gefällig-schmissiges, wenngleich kaum Nachhaltiges transportiert.
Kinderkrankheiten, die auch ohne den entsprechenden Albumtitel keine Probleme darstellen würden: Diese Coming of Age-Talentprobe hat genug Qualitäten um noch zu wachsen; genug Charisma, um über den Sommer hinaus zu betören; und genug Potential, um zukünftig kein Wort mehr über die familiären Background der Urheberin zu verlieren.
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