Salvador Sobral – Bpm

von am 4. Juli 2021 in Album

Salvador Sobral – Bpm

Eine Selbstfindung im Jazz: Vier Jahre nach seinem Sieg beim Eurovision Songcontest spielt Salvador Sobral mit seiner teils neu besetzten Band auf Bpm erstmals ausschließlich eigene Songs.

Zwei obligatorische Nummern auf englisch kann sich der Portugiese dabei nicht verkneifen, leider. Denn die Sprache schränkt die so frei schwebende Intonation seiner Stimme gefühlt doch ein wenig ein, lässt sie weniger selbstverständlich schwelgen. Als würde Sobral auf diesem Terrain vorsichtshalber den Grad der intuitiven Traumwandelei einschränken. Dass die Texte (mutmaßlich nur) außerhalb der Muttersprache auch etwas banales, holzschnittartig austauschbares in der Wortwahl artikulieren, tut sein Übriges.
Schwache Songs sind das schwofende, seinen Titel nicht von ungefähr führende That Old Watz (das mit Klavier zu einem sakral säuselnden Chor a la Moon Shaped Pool flaniert und nur kurz zu dick aufträgt) sowie ein durch seine zappelnde Percussion, Call and Response-Parts und dem rumpelnden Finale Esprit zeigende Paint the Town dennoch keineswegs. Sie transportieren nur am ehesten noch vernachlässigbare Schönheitsfehler im Reigen von Bpm, diesem Paradigmenwechsel für Sobral selbst, der sich hier (mit wirklich famos akzentuierender Musikern im Rücken, die mit ausführlicher Entstehungs-Historie das Material stets variabel, dynamisch und atmosphärisch mit viel Gefühl aufbereiten) nicht nur als charismatischer Interpret bestätigt, sondern auch als einnehmender Songwriter etabliert.

Mar de memórias assoziiert mit seiner sanften Percussion sowie den maritim perlenden Gitarren- und Piano-Texturen den körperlosen Ambient-Pop von Grizzly Bear, Fui ver meu amor nimmt den Jazz als verträumte Melancholie, naiv verspielt, taucht strukturoffener ab, und folgt den Melodien wie bittersüßen Erinnerung, weich und doch aufbrausend.
Se de mim precisarem tendiert wie das zu klimpernden Licks das entspannte Duett mit Margarida Campelo im milden Screwball-Sonnenschein zeigende Aplauso dentro hibbeliger zum Funk, ohne die Sobral‘sche Contenance im Anzug zu verlieren, während Medo de estimação behutsam zur vagen Fusion rockt. Man nimmt sich nicht zu ernst, keine Szene ist bemüht oder verkrampft.

Sangue do meu sangue ist eine intime Klavierballade mit esoterischem Schleier, die kurz energischer aufblüht und Páginas soltas badet verhalten feiernd in optimistisch streichelnden „Ohoho“-Hintergrundgesängen. Canción vieja flirtet dringlicher werdend mit der Option ein ausgelassener Jam zu werden, in der Lounge plaudert das Publikum aufgeweckt, wo auch das mit seinem zappelnden Schlagzeugspiel befeuerte Sem voz den Hang zum Expressionismus zeigt –  im Kontrast dazu gibt sich das minimalistische Só eu sei besonders verletzlich. Trotzdem sind alle diese Facetten in einem homogenen Fluss gebracht, der in Bom vento seinen Höhepunkt findet.
Über einer geduldig schrammenden Gitarre bauen Sobral und seine Helfer Bpm eine finale reichhaltige Fantasie, die gar die Mitsing-Hymne skizziert, sich letztendlich aber doch entscheidet, dem Klimax keine Katharsis abzuringen, sondern zu berieseln. Ein bisschen fehlt Bpm also die Konsequenz, um über unverbindliche Tendenzen hinauszuwachsen. Dabei sollte dieser kreative Initialzündung doch locker für das nötige Selbstvertrauen sorgen, damit sich Sobral auch mit seinem eigenen Material absolut wohl fühlt.

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