Saint Karloff – Paleolithic War Crimes

von am 16. Juni 2023 in Album

Saint Karloff – Paleolithic War Crimes

Doomiger Stoner Rock der alten Schule mit unverbrauchtem Schwung, wertkonservativ im besten Sinne: Saint Karloff nehmen die Herausforderung, Interstellar Voodoo einen würdigen Nachfolger zu bescheren, mit Paleolithic War Crimes an.

Tatsächlich war für die Norweger nicht nur der Schatten ihres überragenden 2019er-Zweitwerks zu überwinden, sondern freilich mehr noch Verlust von Bassist Ole Sletner, der 2021 verstorben ist. Nicht die einfachsten Voraussetzungen für Saint Karloff also.
Mads Melvold (Vocals, Strings, Keys) und Adam Suleiman (Drums, Percussion) haben jedoch am bis zu seinem Tod mit Ole entstandenen Material weitergearbeitet, dessen Bruder Eivind als Texter und Designer in die Entwicklungsprozess eingebunden und Nico Munkvold für die Live-Aktivitäten der Band als Ersatz rekrutiert, um eine in ihrer Erscheinungsform kompakter, zugänglicher und bissfertiger verdaubare Platte aufzunehmen: diesmal bestehen die abermals rund 40 Minuten Gesamtpielzeit wie schon auf dem Debüt All Heed the Black God aus sieben Songs – nicht wie bei Interstellar Voodoo aus einem einzigen, überlangen Geflecht.

Dass Paleolithic War Crimes derart veranlagt keine solch raumergreifende Präsenz und freiheitsliebende Anziehungskraft wie sein Vorgänger entwickelt, zumal die Osloer diesmal auftreten, als würden sie ihre Ideen nicht immer restlos hemmungslos von der Leine lassend transzendieren, und stattdessen eine Snack-Version ihrer Klasse in einen nicht restlos erfüllenden Spannungsbogen schütteln, liegt jedoch vordergründig alleine an der direkten, unvermeidlichen Relation, die der mutigere, radikalere Vorgänger unwillkürlich als Vergleichswert fordert. Und im Umkehrschluss bedeutet dies ohnedies auch: das Material ist hier pointierter greifbar und die Akzentuierungen ohne Müßiggang angelegt.
In einem Genre, dass ja gemeinhin relativ innovationsresistent und konservativ verankert ist, verstehen es Saint Karloff so abermals, leidlich variierbare Zutaten in einem kaum überraschenden Spektrum anhand der elementaren Parameter – der Performance, dem Songwriting, der Inszenierung, dem Feeling und dem Sound – erfrischend, motiviert, energisch und packend zu deklinieren; den vermeintlich reaktionären Traditionalismus als klassische Tugend auszulegen, wo viele Facetten des MO als lebendige Auslegungssache unterstreichen, dass die Norweger schlicht und ergreifend einfach weiterhin das undefinierbare gewisse Etwas besitzen, das eine intuitive Band auch ohne tatsächliche Originalität oder effekthaschendem Spektakel stets über dem Durchschnitt agieren lässt. Selbst wenn Saint Karloff mit dem Blick auf der übergeordnete Ganze diesmal – ohne wirklich orientierungslos zu wirken – weniger fokussiert die Hebel ansetzen.

Dafür wecheln die Highlights praktisch bei jedem Durchgang, gerade die Eingangsphase zündet unmittelbar. Psychedelic Man bäumt sich lufseitig heroisch auf, mit einer beschwörenden Haltung zwischen Kyuss und The Sword, die Riff-Lehren von Tony Iommi leidenschaftlich verinnerlicht habend, ebenso knackig losstürmend schreiend, wie nicht den einfachsten Weg gehend, sondern den Retro-Vibe psychedelisch abdriften lassend. Der vielerorts als Schwachstelle kritisierte Gesang wirkt durch seinen Verzicht auf die bei unzähligen Kollegen eigentlich unabdinglich verfremdete Ästhetik übrigens unmittelbar angenehm unorthodox, regelrecht individuell veranlagt, charmant schief, bevor das soulig orgelnde Blood Meridian am Highway gallopierend mit gut abgehangenen, munterem Groove rockend eine fast hippieske Harmonien-Ahnung im Hintergrund der klassischen Attitüde andeutet und mit zusätzlicher Percussion in die Hüften geht.
Das bluesig-ruhig durchatmende Interlude-Träumen Among Stone Columns dient dazu wie ein Nachhall am Planet Caravan, jedoch auch als kurz den Fuß vom Gaspedal nehmende Verschnaufpause vor dem famosen Bone Cave Escape, einem wilden Graveyard-meets-Uncle Acid-Ritt im Black Mountain-Style samt folkiger Sehnsucht und solierender Nonchalance: die Basis der eklektischen Platte mag eben schnell und absolut genre-typisch kategorisiert sein, die darauf verwendete Farbpalette aber eben interessanter in Szene gesetzt, als das Gros der Konkurrenz – und jede Passage enthält genug Würze, um die Aufmerksamkeit interessiert zu fesseln.

Und ein derart untrügliches Händchen für schmissige kleine Ohrwürmer zu haben schadet freilich auch nicht, gerade um auf dem so schwierigen dritten Album abzuholen.
Richtig aufdrehend – weil freizügiger angelegt – wird Paleolithic War Crimes jedoch in seiner noch besseren zweiten Hälfte: Nothing to Come schrammelt dort mit unbekümmerter Acoustic-Gitarre auf den Spuren alter Witchcraft weiter, bricht kurz eruptiv im Jam aus, und verbindet die organischen Pole zu einem freiheitsliebenden Fluss im progressiven Folkrock, derweil Death Don’t Have No Mercy als Adaption von Gary Davis’ Blues nahtlos in den eigenen Kanon assimiliert ohne Mühen aus der heavy Zähflüssigkeit kommend die Bremse löst und später wieder anzieht, nur um im tollen Closer Supralux Voyager trotz zugrunde liegender Crux (enge Zügel straffen die progressiv zurückgelehnte Spielfreude) alles, was man an der Band im Speziellen und in dem Genre im Allgemeinen lieben kann, wenngleich mit einer gewissen Zwanglosigkeit und ohne Genieblitze auskommend, wachsen zu lassen, sich ganz in sich selbst verlierend und dabei auch das mögliche Geheimnis von Saint Karloff demonstriert: Wo viele Kollegen sich schnell als One Trick Pony abnützten, ist die Gruppe als Allzweckwaffe des Vintage-Stoner Rock mit seinen Doom-Schraffuren weiterhin mehr als nur zuverlässig (und deswegen zumindest mit Fanbrille auch die Aufwertung in der Punkte-Bewertung verdient). Selbst wenn Album Nummer 3 sich im Zweifelsfall also für den domestizierten Sicherheitsgedanken entscheidet, anstatt den von Interstellar Voodoo ausgestellten (und die Perspektive auf die Band mit einer unausklammerbaren Bürde versehen habenden) Freibrief einzulösen, ist das ein gar nicht so subtiler Grund zur Euphorie.

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