Sabrina Carpenter – Short n‘ Sweet
Im ausgewiesenen Brat-Sommer von 2024 bleibt in der ersten Liga des massentauglichen Pop Platz. Und den reklamiert Sabrina Carpenter mit Short n‘ Sweet erfolgreicher als viele andere Kolleginnen für sich.
Ihr sechstes Studioalbum seit 2015 sei „the hot older sister“ zum zwei Jahre alten (eine Stafette aus vier wirklich uninteressanten Veröffentlichungen beendenden) Durchbruchs-Vorgänger Emails I Can’t Send, erklärte Carpenter – ihres Zeichens unter anderem ehemalige Disney Channel-Star, veritable Industry-Plant und Nichte der Scientology-Enthusiastin Nancy Cartwright – rund um ihren 25. Geburtstag vor wenigen Monaten. Wobei sie dies auch damit begründete, erstmals die vollständige kreative Kontrolle über ihr Schaffen zu haben.
Was bedeutet: Mit Julian Bunetta, John Ryan, Ian Kirkpatrick und Jack Antonoff hat ihr das Label neben den Songwriting-Katalysatoren Amy Allen und Julia Michaels diesmal vier Produzenten der obersten Megaseller-Güteklasse engagiert, da auf Carpenter nach Auftritten im Vorprogramm der Eras Tour ja nun auch mehr Aufmerksamkeit wartet, als bisher.
Ob diese geballte Ladung an Profi-Kompetenz nun Carpenter nur als Projektionsfläche nach außen einsetzt, oder die Produzenten/Co-Songwriter doch eher in der Rolle versierter Erfüllungsgehilfen dem kreativem Kopf der Protagonistin folgen, bleibt dabei offen. Auch, weil es praktisch keine Rolle spielt, wo in diesem wild herbeispekuliertem Spektrum sich Short n‘ Sweet abspielen könnte.
Die 35 Minuten der Platte sind in ihrem eklektischen Sound nämlich so oder so ebenso generisch wie authentisch. Sie sind in ästhetischer Hinsicht bis zu einem gewissen Grad relativ austauschbar und machen dabei alles überdurchschnittlich solide, alleine durch die humorvolle Schlagseite der Texte jedoch auch individuell geprägt, ohne die universelle Zugänglichkeit zu beschneiden. Die formatradiotaugliche Platte holt barrierefrei eingängig an Bord und fesselt im positiven Sinne nett. Das Spannungsfeld zwischen Kolleginnen wie Samia oder Dua Lipa berieselt gelegentlich angenehm egal, spielt öfter aber auf unaufdringliche Art und Weise die Trümpfe des Hochglanz-Perfektionismus aus. Nahezu immer aber ist Short n‘ Sweet deswegen schlichtweg einfach gut funktionierend, in dem was es tun will und soll, so dass alles Drumherum eigentlich keine Rolle spielt und man die unterhaltsamen Episoden aus dem Liebesleben von Carpenter, zumindest kurzweilig nebenbei laufen lassen kann.
Songs wie die solide Single Taste, Good Graces, Bed Chem oder Juno tun als harmlose Schnittmenge aller Beteiligten im Konsens-Outfit vielleicht nicht viel dafür, um sich vom gehobenen Durchschnitt des Business abzugrenzen. Sie beweisen ohne wirklich starke Melodien und Hooks aber stets Geschmack und simples Können.
Außerdem stemmt der Kontext der Platte die langweiligeren Momente, da die meisten Songs durchaus das gewisse Etwas vorweisen können, um nicht in der Masse unterzugehen.
Sharpest Tool mit seinem netten Upbeat-Minimalismus etwa oder die witzig-schöne Empowerment-Ballade Dumb & Poetic („You’re so dumb and poetic/ It’s just what I fall for, I like the aesthetic/ …/ Try to come off like you’re soft and well-spoken/ Jack off to lyrics by Leonard Cohen„). Der Acoustic-Touch von Slim Pickins hat einen fluffigen Drive, Please Please Please eine schön funky-Urlaubsstimmung in der allgegenwärtigen 80s-Ahnung und Espresso kann Strandhütten eine nonchalante Pharrell-artige Club-Tauglichkeit verleihen. Dass der Hit der Platte sympotmatisch eher ein zwangloser Ohrwurm ohne Killer-Punch ist, passt zum subjektiv etwas irritierendem Image der Platte.
Am besten gelingen insofern auch das fabelhaft inszenierte Coincidence (in dem sich Carpenter locker-beschwingt zur behaglichen Wärme einer Gitarre in die Ecke einer im Hintergrund weiterlaufenden Party zurückzieht, um im Refrain von der niedlichen 70s-Gemeinschaft Gesellschaft zu bekomen) und der bittersüße Closer Don’t Smile, der sich in der Schere aus versöhnlicher Verträumtheit und bedauerndem Schwermut die Worte im Mund verdreht: „Don’t smile because it happened, baby/ Cry because it’s over„. Was so übrigens nicht auf Short n‘ Sweet zutrifft – denn mit diesem sechsten Studioalbum hat Carpenter die Formel gefunden, auf der sie sich eine ernstzunehmende, vielleicht sogar große Pop-Karriere aufbauen kann.
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