Ryan Adams – Wednesdays
Mit knapp eineinhalb Jahren Verspätung – durch konsequent untertauchte, von der NY Times publizierte Vorwürfe, die nun wie ein Damoklesschwert über der Überraschungs-Veröffentlichung schweben – legt Ryan Adams mit Wednesdays ohne Vorwarnung das erste (oder nun doch auch einzige?) seiner drei bereits 2019 angekündigten Alben vor.
Der ursprüngliche Plan, gleich drei Langspieler hintereinander zu veröffentlichen, scheint jedenfalls in seiner ursprünglich angedachten Form ad acta gelegt zu sein. Zumindest befindet sich auf Wednesdays Material (nämlich der nunmehrige Opener und Closer der Platte), das an sich auf Big Colors erscheinen hätte sollen, während dessen dereinst prolongierten Nachfolger und jetzt (zuerst?) erschienener Ersatz mittlerweile anstelle der angekündigten siebzehn Songs nur noch elf beherbergt (dafür wird die physische Version, die erst im kommenden Jahr erscheinen wird, allerdings neuerdings eine Bonus EP austragen).
Insgeheim bleibt mit dieser Veröffentlichungsgeschichte im Rücken nach den vorläufigen 42 Minuten des offiziell siebzehnten Studioalbums von Ryan Adams zumindest die Vermutung, dass der original angedachte Release-Plan dem Material deutlicher entgegen gekommen wäre. Dafür sorgt alleine die Tatsache, dass sich das sanft getragene, klassisch in die Ferne blickende Dreaming You Backwards als Closer nicht restlos wie ein Finale anfühlt, wenn einer der wenigen Songs im smoothen Bandsound vor allem eine unverfängliche Eleganz trägt, die im Fluß wohl besser aufgehoben gewesen wäre, denn als zu abrupt beendeter, aber sonst rundum toller Schlusspunkt.
Den Einstieg bereitet wiederum das im Juli 2019 veröffentlichte I’m Sorry and I Love You, dessen romantische Ader vor den Hintergründen der – von Adams zwar stets bestrittenen, aber sogar vom FBI untersuchten – Vorwürfe doch zumindest hochgradig irritierend wirkt, dem Song eine nazistische Ader und egozentrische Selbsstmitleidigkeit auf Metaebene aufbürdet. Immerhin hat der ja seit jeher nicht für seinen makellosen Charakter bekannte Adams selbst für eine so extrem ambivalente Aufladung der Nummer gesorgt, als die Komposition gewissermaßen seine einzig medial wahrgenommene Reaktion auf die Anschuldigungen von Phoebe Bridgers, Mandy Moore und Co. war.
Abseits dessen ist das getragen wiegende I’m Sorry and I Love You als besonders hell im Falsett über die klaviergetragene Melancholie gehauchte Sehnsucht, zu der die Streicher erhebend aufgehen, zutiefst sentimental aber nie kitschig, das potentiell fantastischste Neil Young-Juwel seit langer Zeit, ein zum Sterben schön gebrochenes Herz.
Zwischen diesen beiden Songs bekommt Wednesdays allerdings nur im Piano-gestemmten Rocker Birmingham, mit seinem beschwingteren Drive und latent kraftvolleren Auftreten, ein bisschen mehr Zug, setzt einen wichtigen Impuls für den Albumkontext. Ansonsten besinnt sich Adams nahezu ausnahmslos auf die Klasse des am Alternative Country geschulten, balladesk ausgelegten und reduziert inszenierten Songwritings (rund um seine Stimme, eine Akustikgitarre und ein Piano – sowie eine höchstens zurückhaltende Schlagzeugbegleitung und selten eine Mundharmonika), das zwar wie im typisiert ruhigen Titelsong oder dem mäandernden Kleinod Lost in Time beinahe einer auch langweilen könnenden Gleichförmigkeit anheim zu fallen droht, aber selbst dann mit einer beeindruckenden Leichtigkeit als eine der subversivsten, zärtlichsten, verletzlichsten und fragilsten Platten in der Karriere des 46 Jährigen schlurft.
Der unscheinbar wirken könnende Reigen voller zurückgenommener, gefühlter Solonummern, die ohne viel Variation auch im Alleingang auf der Veranda stattfinden könnten, betört jedenfalls so beschaulich und intim. Who Is Going to Love Me Now, If Not You (ohne die Begleitumstände der Platte würde man nie daran denken, diese Texte als larmoyant zu bezeichnen) ist stiller Americana mit reduzierten Arrangements, in der der Raum in der Stille ebenso wichtig ist, wie die behutsam gezupften Saiten.
In When You Cross Over verarbeitet Adams den Tod seines Bruders über einen nur langsam an Fahrt aufnehmenden, nostalgisch getragenen Song mit umsichtiger Inszenierung, wie Springsteen es wohl noch gerne liefern würde: Eine traurige Erinnerung, die dem Ende entgegenblickt und emotionale Gänsehaut erzeugt. Im gefühlvollen Walk in the Park ist die orgelnde Textur kaum wahrnehmbar, aber wärmend im Hintergrund schmeichelnd, Poison & Pain ist eine zärtliche Miniatur die sanft vom Rhythmus getragen beseelt von eigentlich sorgloseren Zeiten träumt: „My demons got so bored of dreamin’/My demons, alcohol and freedom.“
Die unsterbliche Hook im Dylanesken So, Anyways („Our love is a maze/ Only one of us was meant to escape„) wird niemals ganz greifbar und Mamma haucht als filigranes Duett sinnierend ein bisschen weinerlich in den Nachthimmel. Es ist dennoch auch hier eine friedliche Gelassenheit, die diese persönliche „back to basics songwriter experience” ausstrahlt; für die man sicherlich auch in der richtigen Stimmung sein muß, um vollends in eine winterliche Nachdenklichkeiten und bedrückte Atmosphäre eintauchen zu können. Ist man das, funktioniert Wednesdays allerdings hervorragend – lässt allerdings durch ein paar zu vergängliche Meter und eine unvariable Dynamik zumindest vorerst dennoch offen, ob man deswegen automatisch die bestmögliche Anordnung des gesamten Songspools serviert bekommen hat. Die Gretchenfrage, ob man Kunst und Künstler trennen kann, darf oder sool, wird freilich ohnedies nicht beantwortet.
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