Ryan Adams – Star Sign

von am 5. Januar 2024 in Album

Ryan Adams – Star Sign

Star Sign ist neben Prisoners, Heatwave, Sword & Stone und 1985 nicht nur eines von gleich fünf Alben, die Ryan Adams pünktlich zum Jahreswechsel 2024 veröffentlicht hat – es ist auch das beste dieser Stafette. Mindestens.

Man kommt trotz dieser Tatsache freilich nicht herum, sich darüber zu wundern, dass der ohnedies bereits abseits nahezu jeglicher öffentlicher Wahrnehmung veröffentlichende Adams im Zuge seines neuen Buches (weil Fans, die die limitierte und natürlich ultrateure Edition seines Werkes kauften, nur die normale Version zugeschickt bekamen und sich deswegen beschwerten, nonchalant als Trolle abgetan wurden, während der Künstler nicht um egozentrische Erklärungen verlegen war) entlang abgesagter Touren und einem generell oft mehr als kantigen Social Media-Verhalten hart daran arbeitet, selbst die loyalsten seiner noch verblieben Fans zu verprellen.

Vielleicht meint er ja, dies alles mit dem Material aufwiegen zu können, das er seit einigen Jahren in der Hinterhand sammelt. (Im Falle von Star Sign wären das wohl schätzungsweise Songs, die entweder rund um Ashes & Fire bzw. Haywire mit Glyn Johns als Produzenten entstanden sind, oder aber die 2010er-Sessions mit Jamie Candiloro – Darkness, So Lost,  StarSign und (das seinerzeit bei Conan gespielte) Shinin‘ Through the Darkness wurden jedenfalls um diese Zeit erstmals in irgendeiner Weise vorgestellt; auch die Verwendung von Stay Alive (das letztendlich von Jose González für den Walter Mitty-Soundtrack aufgenommen wurde) spricht – neben einem generellen Oldschool-Ryan-Vibe im Songwriting und dem noch nicht exzessiven Einsatz von Reverb auf der Stimme für diese Periode.) Und manchmal liegt der Mann damit ja auch nicht ganz daneben.

Das beste Album von Adams seit Wednesdays zeigt generell eine klassischere Tendenz, das Songwriting und die Aufnahme erscheinen vielschichtiger und vielseitiger, emotional greifbarer, auch weil seine Stimme unberechenbarer mit mehr Ecken und Kanten arbeitet, und der Sound einen warmen, weichen Bandsound hat, der dynamischer auf mehreren Ebenen angelegt ist.
Vor allem aber ist Star Sign auch als Gesamtwerk betrachtet eine runde Sache, hat einen schönen, homogenen Fluss und ein generell hochklassiges Niveau, das keine Ausfälle kompensieren muss, sondern sich eher an die Grenze zu potenziellen hauseigenen Klassikern bewegt (auch wenn der letzte Schritt von „herausragend“ zu „überragend“ dann ohne das Finale Quäntchen Genie nicht in letzter Konsequenz gelingen mag).

Self-Defense tröstet romantisch schmachtend mit latent souligem Flair und funky Licks sowie sanft angedeuteten orchestralen Arrangements, während Adams beinahe bis in den R&B fistelt. So Lost ist eine polternde Acoustic-Alt. Country-Nummer mit einer emporhebenden Hook, die man schon immer ins Herzen geschlossen zu haben meint und Darkness bimmelt kontemplativ in einem leicht psychedelischen Lavalampen-Schimmer, wo die Melancholie sinfonisch erblühend eine Coldplay-Stadion-Feuerzeug-Grandezza kultiviert. Shinin Thru the Dark klingt mit seiner Ziehharmonika dagegen eher, als würden Calexico einen beschwingt-unbeschwerten Western-Song spielen, das angenehme Be Wrong beherrscht den Midtempo-Folkrock mit weichen Harmonien und orchestralem Americana-Mut a la Wilco.

Tomorrow Never Comes baut auf eine Mundharmonika und organisch rumpelnde Percussion am Lagerfeuer, löst die Handbremse aber erst für das hoffnungsvolle Panorama des verträumt klimpernden Sonnenuntergang-Roadmovies Speeding Car und das entschleunigte Titelstück badet Adams Stimme im atmosphärischen Treiben ausnahmsweise im Hall, was jedoch zum elegisch dösenden Schwermut der Nummer passt und auch im Gesamt-Kontext gut ausbalanciert nicht übersättigt.
Wie die ruhige Klavier-Ballade I Lost My Place („I don’t know who I was/ Back in those days/ I remember the voice/ I don’t recognize the face“ – wer mehr Abbitte von Adams verlangt, als derartige Zeilen, wird übrigens weiterhin enttäuscht werden) mit ihrer 80er-Patina ideal in die tickende Uhr von Stay Alive führt, um im The Killers-Gallop samt rauchigem Timbre einer Arena-Geste anzudeuten, ist auf fast subversive Weise groß – und damit der angemessene Schlusspunkt für ein eigentlich doch überraschend essentielles DRA-Album.

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