Ryan Adams – Romeo & Juliet

by on 22. August 2022 in Album

Ryan Adams – Romeo & Juliet

Der Ausblick ließ Schlimmes befürchten: Nach Chris startet Ryan Adams mit Romeo & Juliet schon die nächste Trilogie, abermals in potentiell auslaufender Doppelalbum-stemmender Überlänge. Das Ankommen überrascht dann aber – im (neben Wednesdays) besten Werk des in Ungnade gefallenen Kaliforniers seit Ashes & Fire.

Der unaufgeregte, den Rock nicht erzwingende Ryan Adams ist subjektiv der beste – und er bekommt hier über bis zu 76 Minuten oder sogar 21 Tracks eine praktisch ausfallfreien Bühne (sofern man das gegebenenfalls doppelt vertretene, erst wie eine irritierend dünn produzierte Heartland-Skizze von The War on Drugs agierende, dann optional definitiver am Drumcomputer den Horizont öffnende Somethings Missing als einzigen relativen Fremdkörper außen vor lässt).
Romeo & Juliet (2022) is a summer album. It’s maybe the first summertime album I’ve ever made, on purpose, front to back. It’s like the tall, long slightly mysterious sister to Easy Tiger. There’s a lot of room here and the stories all unwind like a long hot drive in the south with the windows down – sunshine blasting everything. And by the time the record ends it’s just early night – still blue notes in the dark purple patches of stars up the road hurling towards the hood of the car.erklärt der 47 jährige sein offiziell zwanzigstes Studioalbum und hat damit nicht ganz Unrecht; tatsächlich aber transportiert die Stafette von Romeo & Juliet viel mehr als nur einen sommerlichen Soundtrack, sondern hat etwas zeitloses, im besten Sinne gefälliges und einnehmendes, zeigt einfach übersaisonale Klasse.

Das gefühlvoll zurückgelehnte Rollercoaster schmiegt sich nostalgisch-hoffnungsvoll als zukünftiger Go-To-Kandidat in eine sanfte 80er-Synth-Patina, fährt an der atmosphärischen Küstenstraße der unaufgeregten Schönheit entgegen, während das ruhige In the Blue of the Night als Alt Country einen erhebend polternden Refrain bietet. Auch der Schwofer They Will Know Our Love löst für seinen Chorus motiviert losziehend die Handbremse und läuft barrierefrei dahin.
Das angenehme die Seele streichelnde I Can’t Remember wird von Streichern begleitet, Doylestown Girl wiegt seine unspektakuläre Art mit einer einfach so einnehmenden Stimmung auf. This Is Your House plätschert im besten Sinne gefällig und unaufdringlich, bleibt schemenhaft hängen, wie eine vergängliche, liebgewonnene Erinnerung, bevor das melancholisch plätschernde Losers oder das so solide Hold Me Together schon auch mahnen, dass die Länge des Albums hinten raus ein wenig Gefahr läuft, im Verlauf unverdienterweise auf nebensächliche Hintergrundbeschallung zu schalten: My Heaven bezaubert aber auch eher ebenso unscheinbar wie die aus der Zeit gefallene kleine Skizze Theo Is Dreaming.

Und dann stechen da aus dieser den Standard auf hohem Niveau verankernden Ohrwurm-Masse auch noch einige Songs explizit heraus, wollen (wenngleich ohne unbedingte Klassiker-Ansprüche) in den Kanon der Adams‘schen Diskografie-Glanztaten aufgenommen werden.
Sowieso die intimen, auf Gitarre und Stimme reduzierten Nummern wie das komplett entschleunigte Titelstück, Poor Connection, das absolut berührende At Home With the Animals oder der sinistre, ideale (aber eben in der regulären Version nicht mehr vertretene) Schlusspunkt Desperate Times.
Das wundervolle Anything geht pastoral mit ätherischem 80er-Beat und Keyboard im Ambient Pop auf und das ruhig schlendernde Rain in LA mit smoothem Falsett im anmutige R&B. Run besticht mit seiner beschwingten, lockeren Aufbruchstimmung und das sinnierendere Earthquake als untadelig flanierender Americana ohne Ablaufdatum. Grandios auch das getragene, nostalgisch verträumte In the Meadow, in dem die Rhythmussektion den erhebenden Refrain immer wieder kraftvoll aufheben und die Gang dann gar irgendwann gar zum AOR und Classic Rock gniedelt: die Cardinals-Magie bricht da wieder einmal vage durchs Unterholz – und macht Bock drauf, dass Adams noch drei fertige Alben mit seiner Band in der Schublade haben soll. Bis diese aber tatsächlich erscheinen, wird wohl noch einiges an Zeit verstreichen – was angesichts der hohen Messlatte und Halbwertszeit, die der Instant-Dauerläufer Romeo & Juliet über den Sommer hinausgehend legt, aber absolut verschmerzbar ist.

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