Ryan Adams – FM
Dümmer als der Artwork-Disclaimer sind nur manche der platten Klischee-Texte von FM. Trotzdem toll, was Ryan Adams da als drittes Album des Jahres 2022 – und Mittelteil der mit Romeo & Juliet begonnenen Trilogie – aus den Archiven gefischt hat.
Vielleicht sind ja die vielen sehr, sehr simpel Reimschemen und explizit sarkastischen Warnhinweise Mittel zum brachialen Zweck, wenn alleine schon der Beipackzettel eher klotzt als kleckert: „FM is the greatest album of all time. It is the musical equivalent of Albert Einstein’s ghost punching George Washington’s ghost in the nuts. Ancient Incan and Aztec cultures warned not downloading FM once it was released would turn a human skeleton into a chalky dinosaur poo that the Gods would use to draw clouds on mountain rock once the person had ’passed‘“.
Dass das Gros des aufgefahrenen Materials aus den LA Rain-Sessions von 2018 stammen soll, passt da freilich nur bedingt ins Konzept.
Fest steht jedenfalls: Im Gegensatz zum ruhigen Romeo & Juliet wird FM vor allen all jene Fans glücklich machen, die Adams im Power Pop- und Indie Rock-Modus lieben. (Dass sich selbst jene über die spätestens jetzt grotesk überteuerte Preisgestaltung des digitalen/ 40-Dollar-Kassetten-Selbstvertriebs mokieren können, sei einmal dahingestellt).
FM bietet jedenfalls schöne Melodien und schmissige Hooks, ist unkompliziert und straight veranlagt, klingt knackig und frisch. Über 33 (nicht nur im Vergleich zu Chris & Juliet sehr kompakt gehaltene Minuten gibt auch ohne überragende Sternstunden der Diskografie entlang einer tollen Stafette an Ohrwürmern keine Längen oder Ausfall – selbst wenn das Langzeit-Gewicht und der Tiefgang abseits des Momentums oft nebensächlich zu werden scheint – zumal die Highlights durch die Kürze der Platte umso expliziter hervortsechen.
I Want You eröffnet als eingängiger, netter und ein bisschen zu bemüht um Luft ringender Midtempo-Auftakt, der ein bisschen so klingt, als könnten Teenage Fanclub ihn für eine 90er Romantic-Sitcom verwenden, derweil das nonchalanter aus der Hüfte kommende Love Me Don’t zackig knödelnd ins New York-Feeling schrammelt. Das gefällig zurückgelehnte When She Smiles rockt unverbindlich und zuverlässig einnehmen, wirkt aber vor allem deplatziert zwischen zwei hervorragenden Perspektiven des Springsteen-Worshippings – zwischen Fantasy File (in dem ein herrlich schwülstig torkelnden Saxofon sentimental durch den Soul croont) und dem grandiosen Hall of Shame (eine wundervoll kontemplative Anmut, deren verträumt-abendliche Aufbruchstimmung erhebend wirkt – und die hinten raus gerne uferlos in der formoffene Atmosphäre wegtauchen hätte dürfen), in denen Adams sich einmal mehr als Meister der ruhigen Gangart zeigt.
Ebenso stark: Fairweather, das zwischen den Smiths und The Cure die 80er mit langgezogenen Vokale in den Nachthimmel flehen lässt, oder die atmosphärisch entschleunigte Elegie des nostalgischen Closers Someday.
Der Fokus der Platte liegt aber eben an den knackiger zupackenden Ventilen, wenn etwa Wild and Hopeless zwanglos flanierend hymnischer schwofend als Soft-Hardrock heult, So Dumb im kratzigen Groove mit kontrollierter Spannung breitbeinig brutzelt, seinen Drive aber leider symptomatisch nie wirklich hemmungslos von der Leine lässt, oder Do You Feel unbekümmert und gut gelaunt stampft, locker andreht.
Das geht wie alles auf dem konsistenten FM gut ins Ohr, ist teilweise auch relativ mühelos wieder vergessen, macht aber bei jedem Wiederhören Spaß. Die Kürze der Platte verstärkt dabei den Eindruck, es mit einem kleinen Happen für Zwischendurch zu tun zu haben, richtiger ist aber: wenn sich über die Hälfte eines Albums für potentielle spätsommerliche Playlisten anbietet, hat dieses zumindest das Momentum auf seiner Seite (und wertungstechnisch die knappe Aufrundung verdient).
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