Ryan Adams – Chris

von am 22. August 2022 in Album

Ryan Adams – Chris

Chris vollendet jene mit Wednesdays und Big Colors begonnene Trilogie, deren ursprüngliche Release-Pläne Ryan Adams aus bekannten Gründen über den Haufen geworfen hat. Leider kommt das beste in diesem Fall jedoch nicht zum Schluß.

Oder, um es gleich zur Ehrrettung vorwegzunehmen: Chris hätte, strenger selektiert, gekürzt und mit einem stringenten Spannungsbogen versehen, problemlos ein sehr gutes Album werden können, das die begonnene Trilogie absolut überzeugend beendet hätte – selbst in seiner jetzigen Form findet sich ja genau genommen kein Totalausfall im Gefüge und man gouttiert die Platte mit jedem Durchgang lieber.
Allerdings vermisst Adams hier eben viele unnötige Meter. Genau genommen mutet Chris entlang der die Quantität vor die Qualität stellenden 56 Minuten Spielzeit wie ein überlanges Sammelsurium aus (teilweise hier und da bereits vorab anderweitig aufgetauchten) Songs an, die nach den beiden tollen Vorgängerplatten übrig geblieben sein könnten.

Zwar gibt es einige feine Nummern im allgegenwärtigen Springsteen-Tribut, prominenten 80er-Reverb des gefühlten Prisoner-Nachhalls – etwa das Titelstück, das schön gefühlvoll zurückhaltend seine Emotionen ruhig und sentimental wachsen lässt; eine neue Version von Aching for More als ungezwungener kleiner Ohrwurm-Nonchalance-Rocker mit zu freigiebig wiederholtem Refrain; oder die zeitlos-schöne Stimmung im shoegazenden Vibe von Dive.
Doch entlang einiger Filler (alleine das 77 sekündige So Helpless wäre als uninspirierte 08/15-Rock-Skizze dann bei allem Wohlwollen verzichtbar gewesen ) ist Chris einfach zu lang und unausgegoren ausgefallen, zudem auch zerfahren sequenciert und unfertig scheinend produziert.

Und sicher ist es selbst in den „schlimmsten“ – also „nur“ solidesten und kompetentesten – Fällen mehr als nett, diese Stafette zu hören – denn Adams kann natürlich, was er tut. Die nostalgische Heartland-Reminiszenz Take it Back gerät beispielsweise ebenso einnehmend und gefällig (und auch ein bisschen egal) wie die schmissige Roadhouse-Eingängigkeit Flicker in the Fade oder das plätschernde Crooked Shake. Moving Target läuft optimistisch beschwingt dahin, findet jedoch nicht zum Punkt und der alte Bekannte Lookout kann rund um seine gnadenlos hängen bleibende Hit-Hook leider kein adäquates Umfeld bieten – ähnliches gilt für das angedeutet starke Schizophrenic Babylon. Das zurückgelehnte Still a Cage oder Say What You Said pflegen ihre Acoustic-Wurzeln nonchalant, dazu passt das klimpernde Replaced ebenso wie das gediegen aufgerauhte About Time oder das folkige I Got Lost. Spinning Wheel ist angenehm, Was I Wrong streicherverhangen einnehmen und Letting the Light Out schummrig – alle drei allerdings auch ziemlich unspektakulär.
Gerade in Summe frustriert es einfach, wieviel Potential hier mit verwässertem Fokus liegen gelassen wird, wiewohl man das begeisterungsfreie Chris dann subjektiv doch weitaus lieber hat, als es objektiv tatsächlich ausgefallen ist, indem es die Diskografie von Adams als Gesamtwerk höchstens leicht überdurchschnittlich auffüllt.

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