Ryan Adams – Big Colors
Ryan Adams träumt in Big Colors und von den 1980ern, von Bruce Springsteen und Tom Petty: Knapp zwei Jahre nach dem ursprünglich anvisierten Releasetermin erscheint das 18. Studioalbum des 46 jährigen Amerikaners.
„Big Colors was created as a 1980s soundtrack to a movie that never existed. Wednesdays was a study of decline and morality; Big Colors is meant to feel like a daydream. New York, where this album was written, always propels me into new, unexpected creative spaces and this album happened to me, more than I can say I happened to it.“ erklärt Adams, lässt aber offen, warum er die lange verschobene Veröffentlichung der Platte nicht auch dafür genutzt hat, ihr einen schlüssiger gestrickten Feinschliff zu verpassen.
Denn mag Adams für ein stärkeres Cover gesorgt, unter anderem auch I’m Sorry and I Love You sowie Dreaming You Backwards von der Tracklist entfernt (und auf das wirklich besser zu ihnen passende Wednesdays vorgezogen) haben, ist der Fluss von Big Colors doch noch von zumindest einem frustrierenden Irrtum durchzogen, der in diesem Kontext behalten schlichtweg keinen Sinn ergibt, mehr noch, den gefälligen Hörgenuss sogar beträchtlich aufschreckend stört.
Die Rede ist vom Cramps-Rockabilly von Power, der aus dem nichts kommend einen unnötig heulenden Outlaw-Fremdkörper darstellt, für sich genommen auch mindestens eine tolle (und auch kurzweilig unterhaltsame) Einzelnummer darstellt, womöglich gar ein idealer Kandidat für eine Standalone-Single gewesen wäre – gefühlt jedoch zu willkürlich in den Verlauf von Big Colors gepresst funktioniert das Stück jedoch alleine als Stolperstein des Spannungsbogens.
Eben dieser macht sich die Sache schließlich auch so schon schwerer, als es sein müsste. Immerhin setzt das wie mittlerweile üblich im Verbund mit Beatriz Artola und Don Was produzierte Material immer wieder auch zu sehr auf seine Ästhetik, die vermittelte Atmosphäre. Dem Songwriting selbst fehlt es hingegen in den meiste Fällen am letzten Meter zur Brillanz, zu oft begnügt Adams sich damit, eine einnehmende Szenen mit toll schwelgenden Melodien und eingängigen Hooks zu entwerfen, dreht diese aber als gemütliche Nabelschau vor jeder Katharsis ab, führt die Motive nicht an ihr Ziel.
Das behutsam erhebende What Am I wird gar irritierend abrupt beendet, das mit ähnlich zurückgenommener Acoustic-Gangart sinnierende In it for the Pleasure mäandert plätschernd, geht jedoch in seiner gedankenschweren Stimmung auf. Summer Rain übernimmt solide von dem straighten, schmissigen Highway-Country-Rocker Middle of the Line mit seinem kernigen Riff (das auch einen systematisch dem Pop zugeneigten Wohlklang im Americana pflegt), doch ist die Nummer ein Closer, der in der Luft hängend entlässt – der vermittelte Tatendrang und die motivierte Rastlosigkeit führen nirgendwohin, außer zu einer enttäuschenden Schlußphase.
Do Not Disturb legt seinen Groove in ein Noir-Ambiente über wattierten 80er-Synthies und macht zur Mitte als Klimax für eine am Piano schunkelnde Leichtigkeit auf, bevor sich die Nummer wieder verschließt, verschwindet – doch auch sie tritt ein bisschen deplatziert in der Songreihenfolge auf.
So bleibt vieles Aussichtspunkt auf ein ungeordnetes, seine Einzelstücke willkürlich unter dem Konzept-Thema aneinanderreihendes Werk, das mindestens die Qualitäten von Prisoner und Rock n Roll erreichen hätte können, doch eine gewisse emotionale Distanz zum Geschehen (auch von Adams selbst) schwebt stets über den nicht in letzter Konsequenz packenden Dingen. Dass zudem auch die Texte gerne auf oft bediente Klischees und Plattitüden setzt, ist zusätzlich schade.
Kritikpunkte, die mitunter deswegen ins Auge fallen, weil Adams hier an sich (und trotz allem wieder) ein wirklich überzeugendes, stellenweise gar hervorragendes Album gebastelt hat, das nicht nur im so beschwörenden I Surrender keinen Hehl aus seiner Bewunderung für den Boss macht, und den prolongierten Traum einer fiktiven 80er-Platte durchaus authentisch (und auch mit der nötigen dezenten Subversivität umgesetzt) nahe kommt.
Gleich der Titelsong ist so entspannter Heartland-Rock a la The War on Drugs (wenngleich mit einer weniger frontal-eindimensionalen Rhythmussektion) oder Neil Young, perlt in melancholischer Sehnsucht so ruhig, könnte gar die vage Erinnerung an einen unaufdringlichen Evergreen sein, von der exemplarisch über das Ende hinaus mehr hängen bleibt, als es erst den Anschein hat. Um It’s So Quiet, It’s Loud als unaufgeregt nach vorne gehenden kleiner Rocker dabei zu beobachten, wie er ein paar zurückhaltende Streicher einlädt und diesen den Abspann überlässt, oder zu bezeugen, dass das schon so lange vorab veröffentlichte Fuck The Rain nichts von seiner Klasse verloren hat, immer noch eine meditativ artikulierte Rebellion in der Zuversicht findet, unbeirrbar nach vorne blicken, wenn sich der Regen tröstend und optimistisch lichten könnte.
Manchester sucht mit munterem Beat und knappen Streichern die Aufbruchstimmung vor einem offenem Panorama und die nette Ballade Showtime suhlt sich gar betörend im Kitsch, böte sich als weniger rockige Übergang zur Heimeligkeit von Wednesdays an und zeigt, dass der Kontrast zwischen den Werken eigentlich ein fließender ist – auch wenn man den Vorgänger als Gesamtwerk weitaus tiefgründig würdigen kann, begegnet Big Colors ihm aufgrund seiner Highlights mindestens auf Augenhöhe.
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