Russian Circles – Gnosis
Gnosis korrigiert den Kurs von Blood Year in qualitativer Hinsicht zwar nach oben, liefert dann in Summe hinter seinen Möglichkeiten bleibend aber auch primär „nur“ wieder ein weiteres kompetentes, starkes Russian Circles-Album.
Was waren das für Zeiten, als das Finale von Memorial die bis dahin makellos liefernden Russian Circles in eine noch aufregende Zukunft voller Möglichkeiten zu entlassen schien. Stattdessen haben sich Mike Sullivan, Dave Turnkrantz und Brian Cook für einen immer weniger subtil mit dem Post Metal flirtenden Autopilot entschieden, der sich letztendlich darauf verlassen kann, dass das Trio aus Chicago grundlegend einfach kann, was es tut – dabei aber eben keine Sternstunden mehr provozierte.
Gnosis ändert an diesem Umstand nur bedingt etwas, lässt aber dann doch wieder etwas mehr Wohlwollen aufkommen, als die an dieser Stelle rückblickend sogar zu gefällig betrachteten Vorgänger Guidance und Blood Year.
Das liegt einerseits am bildgewaltigen, sehr stimmungsvollen Titeltrack, der aus der Melancholie gleitend das sinistre Unbehagen mit nachdenklich perlenden Gitarren in eine mystische Atmosphäre taucht, und sich der Größe des Post Rock mit breit aufgefächerten Gitarren hingibt, bevor ein paar typisierte Metal-Riffs hinterher die Reise zu abrupt beenden: ein eindrucksvolleres Individuum als die meisten Russian Circles-Songs jüngerer Vergangenheit.
Andererseits hat Gnosis, das Album, grundlegend (und gerade in härterer Hinsicht) wieder mehr erinnerungswürdige Szenen an Bord, als die Studioalben von 2016 und 2019 – selbst wenn ihnen allen den Mitschwingen ambivalenter Schönheitsfehler gemein sind, die dazu führen das aufgezeigte Potential latent brach liegen lassend aufzuarbeiten.
Conduit stellt die Zügel etwa markant enger, ballert sein Riff mit knackiger Cave In-meets-High on Fire-Tendenz und schlenzt hinten raus wie eine instrumentale Perspektive auf den Nu Metal-Stakkato. (Merkwürdig nur, wie dumpf die gallopierende Kickdrum hier vom dauerbearbeiteten Becken und den Saiten verschlungen ist). Das heavy walzende Vlastimil schielt dann sogar zum Black Metal-Malstrom – irgendwo zwar schon konsequent, aber ohne deswegen wirklich schonungslos all in zu gehen. Stattdessen verfällt die Nummer lieber in typische Verhaltensmuster (und pflegt einen fein heulenden ambienten Abgang), weswegen Betrayal in dieser Hinsicht mit Blastbeats, Tromolos und finsterer Grimmigkeit der drückend massiven Konsistenz auch der komplettere Track ist. Vielleicht zudem alleine deswegen, weil die Einleitung mit dem Zwischenstück Ó Braonáin (ein aus der Zeitkapsel gefallenes Geplänkel, eine wunderbar vergilbte sentimentale Erinnerung) die Amplituden viel extremer auslegt.
Tupilak wird malmend-brodelnd martialisch angerührt, die synthiesk texturierten Melodien hinter den Grundfestenden der Rhytmussektion haben etwas erhebendes, theatralisch heroisches – versteckt, aber sehr klasse! Sie legen sich erst treibend, dann schwelgend in den Sog, doch misslingt es, das monumentale Element vor dem finalen Plateau zu erzwingen, da die eigentlich epische, an Godspeed! gemahnende Präsenz einfach nicht adäquat in Szene gesetzt wird, weil sich das potentiell majestätische Panorama nicht vom restlichen Niveau abhebt. Am anderen Ende veraschiedet Bloom hoffnungsvoll und versöhnlich als träumende Grandezza, die bestimmt, dass Russian Circles, immer wenn sie den instrumentalen Post Metal ins periphere Sichtfeld schieben und ruhiger in sich gehen, imaginativ und einnehmend bestechen.
So gibt sich das Trio der wogeneden Grandezza hin und befriedigt, ohne zu begeistern. Das genügt, um wieder zum angestammten hohen Standard aufzuschließen. Weswegen diesmal im Gegensatz zu Blood Year gar nicht die entgegenkommende, nostalgisch-verklärte Fanbrille nötig ist, um – knapp, aber doch – wertungstechnisch neuerlich aufzurunden: Die Zuverlässigkeit hat wieder mehr Biss bekommen!
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