Run the Jewels – Run the Jewels 4
Alles wie immer – und vielleicht trotzdem wichtiger denn je: Run the Jewels 4 spielt die längst perfektionierten Signaturen des freigiebigen Duos zwischen triumphalem Schaulaufen und routinierter Klasse gekonnt aus.
Nach dem doch dezidiert in die Breite gehenden, die hauseigenen Trademarks auch in der Maße verdichtenden – und mutmaßlich insofern den Radius des Duos gewissermaßen erschöpfenden – RTJ3 von 2017 hätte man ja durchaus mit einem Paradigmenwechsel im Sound von Killer Mike und El-P rechnen können.
Stattdessen behalten die zwei Koryphäen ihren Kurs siegessicher und selbstbewusst bei, gehen nun eher sogar einen Schritt zurück (sei es nur aufgrund der wieder kompakter gewordenen Spielzeit, die Run the Jewels in seiner Prägnanz dann eben doch auch am besten steht) und destillieren ihre Stärken statt etwaiger Umbrüche kurzerhand abermals mit einer selbstverständlichen Zuverlässigkeit.
Und wie könnte man enttäuscht sein, wenn schon der Einstieg in die Platte seine Asse mit einer solch entwaffnenden Schmissigkeit und Perfektion ausspielt?
Gleich die erste Single Yankee and the Brave hämmert scheppernden alle Vorzüge raus, die man an Run the Jewels schätzen muß, ist catchy und direkt, aber trotzdem nicht solch ein Hit, wie das simpel gestrickte, aber chearleader-feiernd klimpernde Ooh La La mit Greg Nice und DJ Premier. Out of Sight (mit 2 Chainz) hat sogar einen noch famoseren Beat und eine so unaufgeregte Dringlichkeit, der man sich nicht entziehen kann – ein bisschen nonchalante Machtdemonstration ist das wirklich.
Da macht es auch nichts, dass sich Run the Jewels 4 im Verlauf zwar keine relative Schwächephase gönnt, zumindest mit einer wenig spektakulären Routine aber unmerklich ein bisschen auf latent nebensächlichen Durchzug schalten lässt – gerade über die soliden Skills von Zack de la Rocha sowie die wenig aufregende Produktion von Pharrell in Just; oder wenn Walking in the Snow bratzende Gitarren und eine Brass-Sektion als Antrieb nutzt, die demonstrative Rudelbildung aber eher „nur“ einen tollen Standard bietet.
Ausgerechnet in dieser Phase der Platte (die ästhetisch ohnedies locker vom motivierten Ganzen abgefedert wird) zeigt sich dann aber auch, dass Run the Jewels inzwischen ohnedies weniger den Spagat aus selbstreferentieller Zukunftsorientation bewältigen, als mit beängstigend akkuraten Druck das Momentum dominieren. „I can’t breath“ heißt es da, und was eigentlich ein Mahnmal an Eric Garner war, ist plötzlich ein Richtungsweiser für die (globalen) Black Lives Matter-Proteste.
Abseits der medialen Präsenz (gerade von Killer Mike) übersah man im Run the Jewels-Kontext ja beinahe das politische Sprengpotential der Kombo, hier artikulieren sie es den Zeitgeist präzise wie vielleicht nie. Kaum auszumalen, welche Reibungskräfte da alleine im Vorprogramm von Rage Against the Machine entstanden wären. Dass der Finger auf der Wunde wohl auch bei etwaigen Nachholterminen der gemeinsamen Tour leider noch eine schmerzhafte Aktualität haben wird, darüber herrscht bereits Klarheit, während sich abzuzeichnen beginnt, dass Teil 4 des Gipfeltreffens seine Reize wohl nicht ähnlich konservieren wird können, wie der bisher Zenit, Teil 2 von 2014: Es gibt weniger zu entdecken als bisher., vieles ist offensichtlicher ausgelegt.
An einem Ablaufdatum wird RTJ4 jedoch so oder so bis auf weiteres nicht kratzen: dafür bringt die Klasse des Gespanns die aufgefahrenen PS einfach zu konstant auf den Boden, variiert seinen MO zu kurzweilig.
Holy Calamafuck schlapft als abgedämpfter Dancehall und hat zur Mitte hin plötzlich den subkutanen Twist als düsterer Neon-Trap, der immer dramatischer dröhnt. Goonies Vs. ET rollt seinen Beat wie ein sinister Miami Vice-Gangster, nimmt dann mit fiebrigen, kaum greifbar flimmernden Bläsern zum Drum and Bass-Groove die Tanzfläche in Angriff und zeigt, dass die 80er Referenzen im Titel absolut zur cinematographischen Stimmung passen. Never Look Back weckt durch seine nebulös modulierten, interessanten Experimental-Ambient-Synthies stacksend arrangierte Erinnerungen an die Zeit von El-P vor Cancer 4 Cure, nimmt aber vor allem atmosphärisch ein. The Ground Below scheppert beinahe am akzentuierten Raprock mit knackiger Hook, fällt mit seinen unvorbereiteten Gang of Four-Punch ein wenig aus dem ansonsten makellosen Fluß – schließlich entschleunigt Pulling the Pin mit seinen typisch gespenstischen Homme-Backingvocals und dem beschwörenden Part von Mavis Staples das Szenario gleich wieder umso düsterer.
Und das brillante Finale A Few Words for the Firing Squad (Radiation) treibt als Crescendo mit seinen Streichern dramatisch einem Klimax entgegen, der immer wieder durch Drumsalven abgefangen, durch Saxofon-Schwaden in den Äther transzendiert wird: absolut grandios.
Den Epilog in Form von des Hidden Track Theme Music hätte es nach diesem epischen, erhebenden Ausklang kaum gebraucht. Der Appendix ist aber auch als Zeichen, als Versprechen und vorausblickender Trailer zu verstehen: Run the Jewels reiten über den Abspann hinaus gemeinsam weiter, das wird nicht die letzte Episode der zwei Brüder im Geiste sein. Und wenn es hiernach abermals so weitergeht wie bisher, wird das auch kein Nachteil sein.
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