Rostam – Changephobia
Rostam Batmanglij hat keine Angst vor Veränderungen, doch sein zweites Soloalbum Changephobia bestätigt vier Jahre nach Half-Light, dass der 39 eigentlich längst primär Soundästhet und Produzent ist, nicht Songwriter.
Im Opener These Kids We Knew (in dem Rostam stimmlich verdammt nahe an Beck agiert) reklamiert ein entspannter Folkrock etwa vornehmlich dadurch seine Relevanz, indem die physische Erscheinung verschiebende Ebenen ansteuernd zwischen Vorder- und Hintergrund wechselt. From the Back of a Cab ist eine schöne, exemplarisch verträumte Ballade mit Piano und nautischen Gitarren, doch Rostam vertraut der simplizistischen Anmut nicht – teilweise verständlicherweise – und vitalisiert/sabotiert den Song mit schnipselnden Beats. Das soll die Tatsache kaschieren, dass sich der Song kaum über sein melancholisches Grundmotiv hinaus entwickelt, unterstreicht aber vor allem, dass er dies auch gar nicht müsste.
In Kinney unterwandern in gleicher Schlussfolgerung Autotune und ein hektischen zappelnder IDM-Rhythmus samt schrubbendem Rock-Abgang eine wohlige Bedroom-Pop-Skizze: die Symbiose ist aus der reinen Sound-Persoektive geschmeidig und organisch, aber zu forciert; ein effekthaschender Clusterfuck, meisterhaft zusammengefügt. Die flotter und beschwingter agierende Munterheit von Next Thing setzt dagegen auf Rostams typisch patentierte Piano-Signatur, wechselt die Tempi dabei aber um jeden Preis in der weichen Radikalität. Es tut dem Song nicht unbedingt gut, das Ruder so oft herumzureißen – es scheint ist für Rostam jedoch die naheliegendste Option, um den Hörer nicht zu verlieren.
Wo Changephobia beim ersten Durchgang verspricht, eine immanente Vertrautheit an das Vampire Weekend mit eigenwilligen Kniffen modifiziert zu haben, zeigt sich bald, dass die Substanz ihr Potential auch immer wieder in die Arme von Bei- und auch Blendwerk legt. Dieses Album ist ein bisschen, wie eine Winterjacke, die sehr schick aussieht und auch enorm bequem zu überzeugen weiß – nur kaum Wärme bietet.
Rostam hat durchaus gute Hooks und Melodien parat, alleine die Stimmung ist mit einer allgegenwärtige Jazz- und Nu-Soul Atmosphäre unmittelbar faszinierend und absolut anziehend. Doch scheint es dem Amerikaner primär darum zu gehen, seine Ideen der Tragekraft inszenatorischer Kniffe zu überantworten und zu therapieren, anstatt sie auf konventionelleren Wegen zu entwickeln, ihnen Tiefe zu geben. Der Effekt ist ein ambivalenter: Changephobia klingt nach Understatement und holt wohlwollend mit Charisma ab, emotional will die Platte allerdings niemals derart einnehmend wirken, wie sie klingt – stattdessen schwingt eine unbefriedigende Tendenz zwischen den Zeilen, nahe der kaum wahrnehmbaren, zumindest schwer zu lokalisierenden Frustration.
Abgesehen von der bläsergetränkten Ästhetik bleiben die 39 Minuten so relativ unverbindlich, im positiven wie negativen. Unfold You schleppt sich fein neben der Spur sediert schnippend zu Saxofon-Texturen, smooth und unwirklich. 4Runner ist unwirklicher, aber in der Essenz auch gefälliger Pop, mit unaufgeregt nach vorne gehendem Drive und so vielen Schichten, die von halluzinogenen Gitarren über Mundharmonika-Facetten und Orgelteppichen so viele Ideen anziehen. Der Titelsong schlapft stampfend im legeren Groove und in Bio18 erzeugt die sanfte Percussion hinter dem tröpfelnden Piano eine ruhige Romantik – man hört auf Changephobia stets eher, was sein könnte, nicht unbedingt das, was tatsächlich erreicht wird.
Insofern kann man auch darüber hinweghören, dass [interlude] mit schillernden Synthies und somnambule Beat als Burial‚eske Proto-Dubstep-Skizze vollkommen redundant ist und To Communicate unaufdringlich klimpert und poltert, die leicht atonale Gitarrenlinie in Trance versetzt und seine Schönheit so angenehm wie komplett spannungsarm und ein bisschen belanglos interpretiert. Ja, aus der Songwriter-Perspektive hätte es hier wohl einen kreativen Reibungspunkt gebraucht, um die Musik in kompositionell nachhaltige Formen zu gießen, nicht nur durch die produktionstechnische Gestaltung. Exemplarisch dafür geht gerade der Schlusspunkt Starlight derart bezaubernd auf, weil Rostam hier konsequent in einen Jazz-Halbschlaf eintaucht, den Abendhimmel von Sigur Rós’scher Grandezza ausleuchten lässt und seinen Eklektizismus endlich instinktiv wie ein Ambientwerk funktionieren lässt.
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