Robbie Williams – The Heavy Entertainment Show
„Leichte Unterhaltung… aber auf Steroiden!“ versprach Robbie Williams für sein elftes Studioalbum – und liefert dank pompöser Unterstützung mit dem fast schon absurd ausgelassenen The Heavy Entertainment Show das entsprechend über die Stränge schlagende Popspektakel, zumeist ohne falsche Zurückhaltung.
Auch die einigen wenigen handzahmen Nummer Sicher-Bagatellen ändern in dem irrwitzig daherkommenden Kontext wenig daran, dass der zweifache Familienvater Williams an der beinahe parodistischen Kippe zum elaborierten Formatradioprogramm mit dem hier eingeschlagenen Weg ein ziemlich unterhaltsames Mittel gefunden hat, um erfolgreich aufzuwiegen, dass seine Discografie nun auch schon seit beinahe einem Jahrzehnt den frühen Sternstunden, Evergreens und Instant-Hits hinterherhinkt. Songs wie etwa das schmalzige Love of my Life (das selbst angesichts der Beteiligung von Snow Patrol-Mann Johnny McDaid und Gary Go ermüdendend handzahm langweilt) oder die nett-egale 0815-Ballade David’s Song (Jewel hätte wohl zu gerne an einem neuen Angels mitgeschrieben und lässt dafür Streicherkitsch auffahren und das funkelnde Gitarrensolo in den Himmel starren) tun schließlich einerseits niemanden weh; sie laufen andererseits auch durchaus gefälliger durch den Hintergrund, als die meisten Nummern von Williams seit Escapology – wo die Zusammenarbeit mit Tausendsassa Stuart Price im Grunde nahtlos abliefert, macht sich eben auch die Handschrift des nun endgültig zurückgekehrten Songwriting-Partners und Produzenten Guy Chambers wie erwartet bezahlt.
Obgleich ausgerechnet Chambers Williams wiederum zu Party Like a Russian angestiftet hat. Einem aberwitzigen Partysong und überladenen Single-Schreck mit der Brechstange, der primär von seinen unzähligen Abziehbild-Gimmicks in bester Sufflaune lebt. Knietief im Klischee-Brimborium stampft Williams da zur dramatischen Sergei Prokofiev-Verneigung, zaristische Backingchöre beschwören mit martialischer Strenge russische Folklore und tanzen den Kasatschok, Robbie legt sich genüsslich in den bekloppten Refrain: „Party like a Russian/ End of discussion/ Dance like you got concussion/ Put a doll inside a doll/ Party like a Russian/ Disco seduction/ Party like a Russian/ Have it like an oligarch„.
Was auf sich alleine gestellt schon wie ein schlechter Scherz wirken kann, fügt sich in seiner genüsslichen Over the Top-Gangart letztendlich durchaus schlüssig in das immer wieder zu überraschend ungenierten Momenten neigenden Gesamtgefüge ein, für das die versammelte Gästeriege den nötigen pompös ausstaffierten Rahmen geschaffen.
Vor allem der Robbie schon auf Swing Both Ways toll ergänzende Rufus Wainwright impft The Heavy Entertainment Show mit seiner exaltierten Theatralik den Spielwitz, die nötige Unberechenbarkeit und hemmungslose Megalomanie ein, um den anvisierten Ambitionen gerecht zu werden: Für Hotel Crazy ergänzen sich Gastsänger Wainwright und Williams stimmlich hervorragend zu einer anachronistischen Charmoffensive aus Gentleman-Bläsern, einem pulsierend rollenden Stilbewusstsein und traumwandelnd hypnotisierenden Refrain. Im eröffnenden Titelsong stürzt er den leidenschaftlichen Entertainer Williams als Songwriterkollege mit orchestraler Breitseite in den Ring, das Orchester jubelt zu Serge Gainsbourg, als wäre James Bond eine Zirkusattraktion, zu der man ein Feuerwerk aus Melodien abzufeuern hat. Am anderen Ende zerren Wainwright, Williams, Chambers, Flack und die restliche Credit-Armada das süfisante Casino-Brimborium mit herausgeputztem Oasis-Selbstbewusstsein hoch, vor allem das eigentlich patentierte Finale wird Noel ein Lächeln abringen.
Auch das zwingende Motherfucker hätte gerne den Segen der Gallagher-Brüder gehabt, wirft sich stattdessen aber in den feinen Zwirn und holt sich die Genugtuung am Ende bei jener großen Geste samt fetten Backingchören ab, die Brandon Flowers ansonsten gerne bestellt. Da passt es nur, dass der und seine Killers Robbie gleich einen ganzen Song vermacht haben: Mixed Signals ist eine typische Las Vegas-Rocknummer, die die Killers freilich wohl noch größenwahnsinniger inszeniert hätten – aber Robbie muss auf seiner eigenen Platte ja auch noch etwas Gewicht als Sänger gelassen werden.
Dazwischen tobt sich The Heavy Entertainment Show ohne viel Tiefgang mit schwankender Treffsicherheit aus: Bruce Lee klingt, als hätten sich die Scissor Sister ohne Genehmigung Don’t Bring me Down vorgenommen, die androgyne Electropopnummer Sensitive bleibt mit ihrem funky 80er-Feeling und verführerischen Griffigkeit eine vielversprechende Idee, hat aber dann wie vieles hier zu wenig Substanz, um langfristig haften zu bleiben. Und die von Ed Sheeran beigesteuerte Anbiederungs-Karambolage Pretty Woman als Mischung aus flamencoverliebten Tanzflächenfüller und Chaingang-Song darf man geflissentlich in den Hintergrund rücken.
Da hätte sich beispielsweise das zu den Bonus Tracks abgeschobene I Don’t Want to Hurt You mit John Grant deutlich stärker als Albumvertreter angeboten. Aber auch hier gilt eben: In das Gesamtwerk The Heavy Entertainment Show eingebettet stören derartige Ausfälle kaum – der abwechslungsreiche Irrwitz drumherum wertet die Schwachstellen der Platte nämlich mühelos auf, die konventionellen Zugeständnisse erden auch ohne makellose Ballance das unterhaltsame Spektakel drumherum.
Gut möglich also, dass das exotische The Heavy Entertainment Show damit als nicht restlos konsequenter, aber neues Potential aufzeigender Befreiungsschlag eine wahre Frischzellenkur für Williams künftige Discografie darstellen wird. Einstweilen unterhält Robbie damit aber auch ohne neue Killer-Evergreen-Single schon einmal deutlich besser, als er es auf dem Gros seiner Platten seit gut zehn Jahren getan hat.
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