Roaming in Limbo – Shadowplaying
Daniel Gorseling alias Roaming in Limbo bleibt die bis dato feinste Neuentdeckung 2022, indem er seinem überragenden Debütalbum Permutations mit der Shadowplaying EP einen beinahe ebenbürtigen Appendix spendiert.
„I see this as an epilogue of the Permutations era, maybe a bookmark for my future self to look back on or scoff at. A collection of tracks for ruminating, wallowing and meditating“ erklärt der blutjunge Niederländer und führt aus: „Some of these tracks were made late at night, some early in the morning. They were recorded quickly and through analogue means, primarily me manipulating and destroying samples vaporwave-style with my Roland SP-404. Considering how meticulous and drawn out the recording of Permutations was, it felt odd, almost wrong to step back and move on from any given track so quickly, but the last thing I wanted was to overdo it this time around. There was very little catharsis in the moment, but I did find myself more at ease after having completed these tracks. I played them on repeat whilst wallowing throughout the day or internalising past events; it almost became a form of meditation for me.“
Dieser besagte meditative Sog ist über die von der ersten Sekunde an ansatzlos umspülende Atmosphäre tatsächlich spürbar, macht einen imaginativ entrückten Zauber aus, der die eklektischen Basteleien („98% of the sounds are plundered, I take no credit for their creation“) mit einer unterbewusst so seltsam vertraut wirkenden Ausstrahlung einfängt.
Dabei sind die Grundbausteine der einzelnen Nummern nahezu bis zur Unkenntlichkeit umgesiedelt, wenn etwa das auf-und-ab-ebbend-schnipselnde Strife ein Plunderphonics-Geflecht aus organisch verwachsenen Sound-Collagen darstellt, das wie ein ambienter Drone-Score für das Kopfkino agiert. Grand Promenade ist dagegen halluzinogener ausgebremst eine sedative Trance, die gefühlt immer weiter ins Ätherische abtaucht, irgendwann einen in Zeitlupe torkelnde Beat anlockt, der schneidet und dennoch einen irgendwo massiven Punch setzt, während die Nummer mit dem bis zum Stillstand gehenden Gesang in in erratischer Kontemplation zum Vaporwave döst.
Eben dort bewegt sich auch Rotating Towers, nur dass der mystische Downbeat mit Nuancen des Proto-Dubstep flirtet, wie er in seinem moduliert-zischenden und halluzinogenen Klackern auch James Blake gefallen dürfte, bevor So Still vorsichtig in einen Burial‘schen Kosmos Richtung Grouper-Dark Ambient in die nicht hoffnungslose Finsternis wandert: große Referenzen, unter denen Gorseling nicht einknickt, aber auch über die rein assoziative Ebene hinauswirkt, daher er in den Texturen und Schichten einfach beachtliche, zutiefst homogene Stimmungswelten erschließt.
Schade nur, dass ausgerechnet das Herzstück Glint / Gossamer diesen Level nicht vollends halten kann: Zwar arbeitet und revidiert und loopt das Stück mit maschineller, subkutan-wummernder Rhythmik, die mindestens zwei elementare Ideen emporhebt, die aber nicht zu einem kohärenten Ganzen zusammenschnipselt, sondern eher ein brillant angedeuteter Clusterfuck bleibt, vielleicht eine Spur zu hastig vollendet. Was man Shadowplaying so im Ganzen absolut nicht vorwerfen kann: Dieser schnell kommende, hochklassige Nachsatz zu Permutations hat etwas zeitloses.
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