RLYR – RLYR
Die veritable Allstar Gang RLYR – Steven Hess (Locrian, Cleared), Colin DeKuiper (Bloodiest) und Trevor Shelley de Brauw (Pelican, Chord) – braucht auf ihrem dritten, diesmal selbstbetitelten Studioalbum lange, um eine erfüllende Balance zu finden.
Irgendwo durchaus symbolträchtig, daher die drei lange an RLYR geschraubt haben: „Mostly written pre-pandemic (with some of the material debuting live as early as the tour behind their 2018 album Actual Existence), the band used the space afforded them to continue to refine the songs.“ heißt es im Beipackzettel. Dazu ergänzt Shelley de Brauw: „Once we lost the capacity to play shows, we decided to just bunker down and fine-tune everything. For some of the songs it was a matter of continual refinement, whereas others kept expanding and getting more exploratory. The extra time served us well in a lot of respects.”
Das ist insofern ein interessantes Urteil, weil sich der dritte Aufguss des instrumentalen Band-Amalgams aus Post Rock, Math, Metal und Sludge viel eher oft anfühlt, als würde das Material nicht zum Punkt finden – gewissermaßen am Reißbrett zerdacht zu analytisch agieren und so (wie schon seine Vorgängeralben) ambivalente, hinter den Möglichkeiten zurückbleibende Ergebnisse liefern.
In Distructure variiert die Gitarre zwischen einer zwingenden Kompaktheit und fast gut gelaunt aggressiv Riffs mit energischen Rhythmus-Salven und weiten Perspektiven, die mit ihrer optimistisch erhebenden Sehnsucht das Highlight im mit energischen, bissigen Drums befeuerten, nach vorne polternden Song darstellen. Performancetechnisch ist das so kraftvoll in Szene gesetzt rundum überzeugend, aber strukturell ermüdet das Wechselspiel aus den immer gleichen, perlenschnurartig aufgefädelt Segmenten über 8 Minuten einfach. Auch Wrack verdichtet sich heavier und sonniger, profitiert vom mächtigen Sound der Platte, schmiedet auch eine feine melancholisch Note in die metallische Perspektive – nur ist die Nummer abermals eine zu lang ausgewalzte Kaskade.
Real Air hat eine angenehme Aufbruchstimmung im Kern, und die Nummer ist am besten, wenn sie diese über eine zurückgelehnte Haltung kommuniziert – wie eine nostalgische Autofahrt an der Küste. Meist aber setzt die Band ihre Idee als methodisches Aneinanderreihen von hektischen Motiven um, was dem Verlauf eine unausgegorene Zerrissenheit verleiht. Gerade das letzten Drittel von Real Air ist trotzdem schon verdammt befriedigend, weil intuitiv packend, es lässt sogar ein bisschen an Mon The Biff denken.
Genau umgekehrt verhält es sich bei Head Womb, das erst viel Raum nimmt, um sich zu positionieren, und dann mit tackernden Blastbeats sowie hinausgeschleuderten Riffs in den Indie Rock-Mahlstrom rackert, dabei aber ein seltsam teilnahmslos lassender Ritt bleibt: Theoretisch sollte das intensiv zünden – praktisch bleibt aber eine kalt lassende Distanz.
Die versprochene Ausgeglichenheit zwischen geduldigem Songwriting, kraftvoller Performance und atmosphärischer Tiefenwirkung entwickelt dann aber Codeine Horse zur Gänze – und daher der Song mit 15 der insgesamt 45 auch viel Volumen einnimmt, korrigiert er den Eindruck von RLYR auch als Gesamtes nach oben. Bedächtig wächst der Monolith in der klaren Nachdenklichkeit einer endlosen Earth-Prärie im entspannten Tempo, genießt die Luft zum Atmen und die endlose Weite, entfaltet eine Stimmung, die die imaginative Gravitation immer weiter steigert. Zur Mitte hin baut die Band grummelnd-flimmernd exzessive Spannungen auf und löst sie mit eng angezogenen Zügeln physisch, direkt und erfüllend. Ein Abgang, der verständlich macht, was Shelley de Brauw in RLYR ganz allgemein zu hören scheint.
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