Richard Ashcroft – Natural Rebel

by on 2. November 2018 in Album

Richard Ashcroft – Natural Rebel

Natürlich ist Natural Rebel keineswegs so aufmüpfig, wie der Titel sowie die plakativ-energische Pose am Cover es versprechen. Doch nicht nur die Frisur samt Elder Statesman-Anzug sitzt diesmal wieder: Richard Ashcroft findet auf einem vorhersehbaren fünften Studioalbum ein kleines Stück weit zurück in die Spur.

Was nach den drei vorausgegangenen (mal mehr, mal weniger schwerwiegenden) Enttäuschungen United Nations of Sound sowie Keys to the World und These People natürlich in jeder Hinsicht – von der grundlegenden Qualität bis vor allem hin zur Erwartungshaltung – absolut relativ zu verstehen ist.
Zumal Ashcroft Natural Rebel sogar weitestgehend demonstrativ uninspiriert nach purem Baukastenprinzip strickt und die Kompositionen stets als auf Nummer Sicher gehende Midtempo-Britpop-Autopiloten aufzäumt, die praktisch zehnmal am Stück nach der immer gleichen Formel funktionieren: Zutiefst banale (und mit der Brechstange den Reim suchende) Texte werden einer gefälligen Melodieführung samt kitschigen Streicherarrangements angepasst, unter der die unaufdringliche Rhythmussektion geduldig dahinläuft, während der alles andere als rebellisch auftretende Ashcroft eine simple Idee über viel zu lange Spielzeiten verfolgt (selbst wenn ein Song nicht die Vierminutenmarke knackt, mutiert das Material von Natural Rebel in der Regel zur Geduldsprobe) und den Gaul so bisweilen enervierend zu Ende reitet.

Freilich auch in der Gewissheit, dass man mit dieser Stimme keinen Song restlos töten kann – obwohl  etwa ein Born to Be Strangers schon beinahe passiv-aggressiv vorführt, wie wenig Inspiration und Kraft einem lahmen Ashcroft mittlerweile zur beliebigen Selbstzufriedenheit genügen.
Insofern kann das ambitionslose Songwriting des 47 Jährigen (gerade auch verstärkt durch die generell so müde und kraftlos auftretende Produktion) schon eine auslaugende Herausforderung werden, wenn bereits der austauschbare Opener All My Dreams so gemütlich monoton und unendlich bisslos dahindümpelt – und damit den symptomatischen Standard von Natural Rebel definiert.
Im schwelgenden Surprised by the Joy deutet Ashcroft beispielsweise einen überschwänglich die Gemeinschaft beschwörenden finalen Part an – der aber den exakt selben (niedrigen) Energielevel wie der restliche Song an den Tag legt und so keinerlei packendes Momentum erzeugt, sondern eher persiflierend wirkt. Im nöligen That’s How Strong schleppt sich dagegen eine sentimental gemeinte Ballade förmlich penetrant ermüdend unter der ächzenden Last typischer Ashcroft-Tropen und oftmals gehörter Klischees.

Und dennoch fühlt sich Natural Rebel wie eine minmale Kurskorrektur der zuletzt anhaltenden qualitativen Abwärtsspirale an. In erster Linie deswegen, weil die besten Momente der Platte durchaus nachhaltiger auftreten als vieles, was Ashcroft in den vergangenen eineinhalb Dekaden einer Diskografie zu verantworten hatte – die übrigens längst in einer kreativen Sackgasse angekommen ist, ohne sich daran zu stören.
Das nachdenkliche We All Bleed hofiert mit erhebendem Chor stilvollen Northern Soul und wird Paul Weller ebenso wie Noel Gallagher gefallen und im kaum aufregenden A Man in Motion assoziiert sich ein klassisch schön strahlendes Sonnet aus der Resteverwertung alter Großtaten. Das auf Klavier und Akustikgitarre gebaute, mit elektronischem Synthstaub daherkommende Streets of Amsterdam strapaziert ob seiner immanenten Klasse dann sogar selbst über eine doppelt so lange Spielzeit wie nötig kaum die Nerven. Um wieviel besser (oder zumindest weniger enervierend) diese Platte jedoch sein hätte können, wenn jeder einzelne Song mindestens eine Minute gekürzt worden (oder mit dem einen oder anderen nicht vorhersehbaren Geistesblitz ausgestattet) worden wäre, wird jedoch gerade hier auch in der an sich absolut solide abliefernden zweiten Hälfte von Natural Rebel überdeutlich.

That’s When I Feel It beginnt wie eine Verneigung vor dem George Harrison der 80er und leistet sich natürlich den austauschbaren Komfort der ganzen Platte, punktet jedoch mit seiner vergleichsweise lebendigen Ausstrahlung: Ausnahmsweise wirkt Ashcroft hier sogar, als hätte er selbst Bock auf seine Musik – zumindest scheint er nicht vollends vom Malen nach Zahlen angeödet zu sein.
Im eindimensionalen Money Money lässt Ashcroft zum Abschluss seine Band sogar noch von der hüftsteifen Leine und heult mehr oder minder zum Exzess des kaum noch spürbaren Rock’n’Roll. Dass es dem nebenbei konsumierten Natural Rebel grundsätzlich sogar durchaus steht, wenn Ashcroft seine gesetzten Manierismen phasenweise ganz allgemein in einer Reihe mit den Travelling Willburys oder Eric Clapton zu positionieren versucht, lässt sich auch verfolgen, wenn Birds Fly totgespielte hauseigene Trademarks mit dem Erbe von Tom Petty kalkulieren lässt. So kann man seinen Job auch verwalten. Ohne Feuer unter dem hedonistischen Hintern und Hunger hinter der perfekt sitzenden Garderobe testet der larmoyant zur gepflegten Langeweile tendierende Engländer so aber einmal mehr vor allem die Toleranzgrenze selbst seiner loyalsten Anhänger.

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