Red Hot Chili Peppers – The Getaway
Vor dem süßlich-leichtgängigen Wohlklang-Sound ihres neuen Produzenten können auch die Chili Peppers nicht flüchten. The Getaway klingt deswegen, als hätte Danger Mouse eine tendenziell durchaus wieder stärker zu Abenteuern aufgelegte Band zu einem handzahmen Sommerpopalbum überredet. Kein ausnahmslos schlechter Deal, aber ein hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibender.
Letztendlich gelingt dem elften Studioalbum der ewigen Kalifornier dann zwar nicht das Kunststück, dem nach 25 gemeinsamen Jahren verabschiedeten Rick Rubin wahrhaftig nachzutrauern. Es relativiert aber auch nicht unbedingt das über die Jahre kultivierte Urteil, dass es kaum schlechtere Ideen gibt, als Brian Burton auf den Produzentenstuhl zu setzen. Dieser versteht die Mechanismen der Charts mit einem gemeinhin als geschmackvoll missinterpretierten Watte-Soundbild, das er seinen Kunden in der Regel auch bedingungslos aufdrückt, um etwa die Black Keys gleich zahnlos klingen zu lassen wie U2. Ganz ungeachtet, ob eine Platte überhaupt nach diesem plastikartig-bunten Klangbild verlangt, oder wo Songs eigentlich hinzuwollen scheinen. Notfalls gibt es noch ein paar Daniel Luppi-Streicher als abrundenden Arrangement-Bonus draufpackt. Hauptsache, es schmiegt sich anstandslos in die Gehörgänge.
Insofern ergänzen sich Burton und die Red Hot Chili Peppers auf The Getaway vielleicht ganz gut: Die Band wollte auf dem zweiten Album mit Josh Klinghoffer offenbar wieder mehr riskieren, als auf dem gerne unter Wert verkauften (im Vergleich zu seinem Nachfolger tatsächlich als Rockplatte durchgehenden) I’m With You, aber mit dem nahenden Sommer am Horizont eben keinesfalls, dabei den Anschluss zum unangestrengt aus der Hüfte plätschernden Pop zu verlieren. Wodurch unter dem Strich eine Platte steht, die mit netten Melodien barrierefrei einlädt, dabei aber so unverbindlich in Szene gesetzt ist, dass es bisweilen ein echtes Ärgernis ist. Das Problem: Burton ist als zusätzlicher Songwriter und Ideenanreger durchaus gut in den Bandkontext integriert und setzt einige stimmige Impulse (weswegen es auch ungerecht wäre ihm alleine den schwarzen Peter zuzuschieben), als verantwortlicher Produzent fehlt ihm aber die stichelnde Energie, um den gemütlich gewordenen Peppers auch einmal in den Hintern zu treten.
Ein stilvoller Nichtangriffspakt, der sich gleich im eröffnenden Titeltrack-Opener nachhören lässt: Smart funkelnde Gitarren und ein bauchiger Bassgroove legen sich stimmungsvoll über den reduzierten Beat, wabbernde Synthieschichten schieben sich neben den schmeichelnden Harmonien dezent in die Nummer. Über die Kippe tritt den Songs jedoch niemand, auch nicht das gleichförmig integrierte Finale, weswegen nach vier Minuten und viel brach liegendem Potential kurzerhand Schluss ist.
Lieber eine Kante zuviel abschleifen, den Chorus als seichte Wohklang-Brise spielen, den Weichspüler auspacken scheint danach die generelle Devise sein. Dennoch versucht The Getaway gewissermaßen in die Fußstapfen von By The Way zu treten, dabei aber die spätestens seit Stadium Arcadium forcierte Harmlosigkeit der Chili Peppers nicht aus dem Gesamtbild zu verdrängen. Das mündet in Songs, die zwar andeuten alte Hitqualitäten übernehmen zu wollen, aber dabei die unbedingt infizierenden Killerrefrains der Heydays durch eine zahme Beliebigkeit ersetzen. Das melancholisch sinnierende The Longest Wave oder die schön schnulzig verzierte Elton John-Kooperation Sick Love (mit seinem die Füße einschlafen lassenden Fernsehgarten-Schunkelchorus, den auch Klinghoffers Solo nicht retten kann) forcieren also durchaus nette Melodien und schmissige Hooks, ermüden aber als so zuverlässige wie schöne Begleiter durch die Nachmittagssonne letztendlich auch mit glattgestrichenen Kompromiss-Auflösungen und unaufregenden Höhepunkten in den von Burton spannungslos eingefangenen Kompositionen.
Neben durchziehenden Egalitäten wie den beiden unpeinlichen Ausfällen Feasting On The Flowers (Danger Mouse drängt sich zusehr auf) oder Detroit (die Magie von Californication lässt sich eben nicht mit der Brechstange wiederholen) bringt dies auch der erst aufbegehrende, dann aber flach bleibende Can’t Stop-Klon Goodbye Angels ernüchternd auf den Punkt, der wie vieles hier eben praktisch alles schlichtweg weniger zwingend macht, als seine knackige Blaupause. Und gerade wenn The Getaway in solchen Phasen erst recht wie eine im Keim großartige, praktisch aber enervierend belanglos nebenbei funktionierende und banal an der Oberfläche zurechtgemachte Altersvorsorge anmutet, der es am nötigen Pfeffer und arschtretenden Feuer fehlt, um wirklich packen zu können, lässt die Band einen aufbrausenden Jam-Exzess vom Stapel, der in seiner Explosivität Erinnerungen an alte Zeiten weckt.
Einer der mitreißend herausragenden Momente, die gerade auch insofern die enttäuschende und ärgerliche Gezähmtheit von The Getaway unterstreichen, da die Chili Peppers in ihrem 23. Bandjahr abseits der relativ mutigen Verabschiedung von Langzeitmentor Rubin die bequemen Selbstreferenzen in der bekömmlichen Wohlfühlzone durchaus mit einer Reihe theoretisch spannender Einfällen konterkarieren, die nahelegen, dass die Band offenbar durchaus für ein Mehr an Freakigkeit bereit gewesen wäre. We Turn Red schmiegt etwa eine gefühlvoll anbiedernd Westcoast-Zärtlichkeit in ein schwer stampfendes Drumkonstrukt, während das textlich selbst für Kiedies-Standards absurde Go Robot einem relaxten Smooth-Funkstück eine retrofuturistisch abgehende Neonreklame vor die Disco hängt und den endlich einmal Gas gebenden Rock von This Ticonderoga ein herrlich elegant zurückgelehnter Lounge-Modus ausbremst.
Wie großartig subtil, vielschichtig und zweckdienlich Klinghoffer auch diesmal wieder seine Kompetenzen aus dem Schatten heraus in das Bandgefüge fließen lässt, ist spätestens hier nicht mehr zu überhören: Der Frusciante-Ersatz spielt unauffällig, setzt aber permanent Akzente und ist nicht unbeteilgt daran, dass die Peppers 2016 wohl leichtfüßiger denn je klingen. Im wunderbaren Encore (das wie weite Strecken der bärenstarken Schlussphase von relaxten Pianotönen dominiert wird) knüpft er so gar Verbindungen zu seiner alten Band Warpaint, für das ätherisch gestreichelte The Hunter mit seinem etwas arg galligen Dadrock-Chorus übernimmt Klinghoffer den Bass, um den an Klavier und Trompete dösenden Flea den Rücken freizuhalten. Im mysteriös stacksenden Dreams Of A Samurai frickelt der Gitarrist dann im Hintergrund was das Zeug hält und baut heulende Klangwelten über den regelrecht vertrackt jazzenden Abschluss. Der stilistisch auch die erst eindruckslos entlassende, letztendlich aber wunderbar weich den Funk hofierenden erste Single Dark Necessities spannt. Dass The Getaway ebenso wie diese ein Grower ist, steht außer Frage. Wohl aber auch, dass die Chili Peppers hier die Chance verschenkt haben, sich selbst einen weiteren kreativen Frühling zu bescheren.
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Matthew - 9. Juli 2016
fck german and their launguage. this album is great!