Record Store Day 2014

by on 21. April 2014 in Featured, Sonstiges

Record Store Day 2014

Jack White veröffentlicht „the world’s fastest-released record„, Chuck D preist als offizieller Botschafter die Vorzüge lokaler Plattenläden während Ebay und Discogs nachwirkend wie gewohnt zum nimmermüden Geldgrab werden: auch am Record Store Day 2014 war wieder so einiges los. Exklusive Schätze reihen sich da an ernüchternde Enttäuschungen oder wenig notwendige Wiederveröffentlichungen an spannende Kollaborationsexperimente. Wie im letzten Jahr folgt an dieser Stelle der versuch sich durch das Dickicht an erwähnenswerten Releases zu kämpfen.

Record Store Day 2014 Kurzreviews: Teil 1 | Teil 2 | Teil 3 |

Joy Division - An Ideal for Living Joy Division – ‚An Ideal for Living

Für die Originalpressung dieser ersten Joy Division EP aus dem Jahr 1978 wechseln schon mal Summen im vierstelligen Bereich den Besitzer, für die zweite Auflage aus dem selben Jahr immer noch im dreistelligen. Weil es sich bei den seitdem in schöner Unregelmäßigkeit vorgelegten Nachpressungen allesamt um halbseidene Bootlegs handelt, ist eine Neuauflage von offizieller Seite für Sammler natürlich eine feine Sache – allen anderen wird es genügen die vier hier versammelten Songs schon längst anderswo (beispielsweise auf der grandiosen Werksammlung ‚Heart and Soul‚) finden zu können.
Der Record Store Day 2014 gewandet diese ersten Gehversuche – aufgenommen am 14. December 1977 noch als Warsaw – nun optisch und akustisch in mehr oder minder neue Gewänder: das immer noch vielerorts Kontroversen hervorrufende Hitler Jugend-Artwork von Bernhard Sumner ist einer Verneigung vor der Anonymous Records Variante von 1978 gewichen, die Songs selbst erstrahlen tontechnisch aufgehübscht dank der 2010er Master-Bearbeitung von Bandintimus Frank Arkwright. ‚Warsaw‚, ‚No Love Lost‚, ‚Leaders of Men‚ und ‚Failures‚ sind allesamt große und kleine (geheime) Klassiker, in denen das Vermächtnis von The Velvet Underground noch klar durchscheint, während Ian Curtis das prägnanteTotengräbertimbre noch nicht gefunden hat, seine Band dazu aber den passenden Protopunk spielt. Mit dem, was ab ‚Unknown Pleasures‚ passieren würde hat das freilich noch wenig zu tun. Dennoch unglaublich, dass diese Aufnahmen über 3 Jahrzehnte alt sind – sie könnten problemlos auch aus den letzten 3 Monaten sein. Jeweils 7500 Fans in den USA bzw. Europa dürfen da am Plattenladenfeiertag in Ehrfurcht erstarren.07

Tame Impala - Live Versions  Tame Impala – ‚Live Versions

Man musste im Vorfeld des Record Store Day kein Hellseher sein um orakeln zu können, dass es sich bei ‚Live Versions‚ um eine der essentiellsten Veröffentlichungen des 19. Aprils 2014 handeln wird: die Songs des psychedelischen Australier im Livegewand, das macht selbst auf Konserve Sinn. Im Chicago des Jahres 2013 dirigierte Bandlenker Kevin Parker Tame Impala über 9 kaleidoskopartig glitzernde Songs hinweg noch weiter hinaus ins Weltall, zieht selten die Zügel enger und lässt zumeist Raum für noch mehr mehr Trance, in denen die nebulös schwebenden Melodien auf ausufernde Jamparts treffen: alleine ‚Be Above It‚ schwillt auf über die doppelte Spiellänge an. Eine Umgebung, die den trippigen Reiseführern der Band absolut in die Karten spielt – selbst wenn die Lautstärkespielerei am Ende von ‚Endors Toi‚ durchaus brummende Schädel erzeugen kann.
Die Setlist an sich lässt dabei kaum Wünsche über: die Songs von ‚Lonerism‚ befinden sich in der Überzahl (auch wenn ‚Elephant‚ ausgepart wird), von ‚Innerspeaker‚ gibt es immerhin die stärksten Hits und selbst ‚Half Full Glass of Wine‚ findet seinen Platz. Größtes Schmankerl für Fans ist allerdings ‚Sestri Levante‚, eine knapp zweiminütige Miniatur, die schon lange ihren Platz im Liveprogramm der Band sicher hat und mit schwelgender Melodie einmal mehr das Nahverhältnis von Kevin Parker zu Flaming Lips Oberguru Wayne Coyne unterstreicht. Die auf grünes Vinyl gepressten 5000 Stück laufen damit den Erwartungshaltungen entsprechend keinerlei Gefahr zu Ladenhütern zu werden.08

01013 - The Flaming Lips - 7 Skies H3 - 01 - 12 Jacket (3mm Spin  The Flaming Lips – ‚7 Skies H3

Apropos Flaming Lips: natürlich passiert kein Record Store Day ohne Veröffentlichung aus dem niemals ruhenden Haushalt um Wayne Coyne. Im Jahr 2014 übt man sich sogar in Sachen (relativ zu sehender) zugänglichem Entgegenkommen und destilliert die Highlights des 24 stündigen Mammutsong ‚7 Skies H3‚ von 2011 zu einer 50 minütigen psychedelischen Reise der Extraklasse, die die Flaming Lips einmal mehr als Grenzwächter der äußersten Schichten des Pop ablichtet. Die Synthies pulsieren, trippig und deliriant, räumen aber nicht nur in der eröffnenden Symbiose ‚7 Skies H3 (Can’t Shut Off My Head)‚ verhalten perlenden Gitarren wieder mehr Platz ein als zuletzt. Wayne Coyne wütet dazu nicht mehr nur als Science Fiction-Zirkusdirektor durch das Geschehen, sondern forciert Emotionen auf elegische Art.
Verdichtet sich die frei schwebende Stimmung, tut sie es auf regelrecht traurige, nachdenkliche Art und hangelt sich dabei von Indiana Jones tauglichen Stammestänzen im Weltraumsetting (‚Battling Voices From Beyond‚) über formwandelnde Melodieansätze und treibende Soundschleifen zu aus dem Rahmen fallenden Krawalltollhäusern (‚Riot in My Brain‚), ambienten Pink Floyd-Szenarien voller Schönheit (‚7 Skies H3 (Main Theme)‚) und regelrecht herzzerreißenden Momenten der ausfransenden Niedergeschlagenheit (‚Can’t Let It Go‚). Eine Komprimierung der Ereignisse, mit der die Lips sich selbst und vor allem den Hörern einen immensen Gefallen zugestehen: über 24 Stunden verteilt hätten sich die zahlreichen unwirklich gewobenen Kompositionshöhepunkte in der Masse verlaufen, so aber mutiert ‚7 Skies H3‚ zu einem unerwarteten Highlight der psychedelischen Phase der Band. Für Gelegenheitfans wird das natürlich immer noch zu abgedriftet sein, tatsächlich darf man diesen Zusammenschnitt aber sogar durchaus auf eine Ebene mit dem letztjährigen ‚The Terror‚ stellen. Limitiert auf auf 7500 Stück, clear Vinyl.07

Sunny Day Real Estate - Circa Survive - Split Sunny Day Real Estate / Circa Survive – Split

Da soll sich noch einer auskennen: erst kündigt die Emocore Legende Sunny Day Real Estate an nach ihrer Reunion Tour ein neues Album aufnehmen zu wollen, dann verliefen die Sessions allerdings doch im Sand und die Band zog 2013 abermals einen Schlussstrich – und nun steht doch der erste neue Song von Sunny Day Real Estate seit 14 Jahren vor der Tür. Wer da aufgrund der Vorgeschichte vorsichtshalber nicht in allzu überschwängliche Euphorie ausbrechen wollte, der darf nun leider in gewissen Maße Recht behalten. ‚Lipton Witch‚ präsentiert die Kombo aus Seatlle ein einem irritierend straighten Rockband-Modus, der so auch im Vorprogramm von Nate Mendel’s Foo Fighters nicht negativ auffallen würde. Sicherlich kein schlechter Song, aber eben auch nichts, was es mit der schwindelerregenden Emotionalität vergangener Meisterwerke aufnehmen könnte. Kurzum: ‚Lipton Witch‚ klingt wie ein schwacher Rival Schools Songs.
Als Sieger bei diesem Zusammentreffen gehen deswegen auch knapp Circa Survive hervor. ‚Bad Heart‚ stammt aus den Sessions des gerne unter Wert verkauften 2013er Werks ‚Violent Waves‚ und hätte trotz eines betörend säuselnden Anthony Green wohl tatsächlich nur bedingt in den Albumfluss gepasst, die Melodie entfernt sich dazu kaum aus bekannten und bereits reichlich beackerten Territorien. Gravierender für die Nicht-Aufnahme in den Kanon des Viertwerks könnte allerdings gewesen sein, dass der verrauscht gleitende Song mit seiner ätherisch plätschernden Gitarrenlinie schon stark an ‚Myth‚ vom kurz davor veröffentlichten Beach House Album ‚Bloom‚ erinnert. Nicht essentiell, sicherlich – aber Circa Survive in Dreampopgefilden, das passt ansonsten schon. Dennoch werden sich die 2500 Platten vor allem (enttäuschte) Hardcorefans und Komplettisten ins Haus holen.
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Mastodon – Live at Brixton  Mastodon – ‚Live at Brixton‘

Über die Qualitäten dieses bereits im letzten Jahr digital veröffentlichten Mitschnitts der Metalmacht Mastodon wurde ja bereits an anderer Stelle ausführlich geschrieben:Live at Brixton‚ ist nicht makellos, macht aber immensen Spaß und funktioniert gar als potentielles Best of.
Dass die einzig physische Veröffentlichung nun auf gerade einmal 2000 Stück limitiert erschienen ist, erscheint deswegen geradezu verschwenderisch. Ansonsten bleibt die Vinylversion über sämtliche Zweifel erhaben: zwei schwarze 180 Gramm Platten kommen im schicken Gatefold daher, geprägte Nummerierung auf der Rückseite inklusive. Dazu hat man großzügerweise den gesamten Videomitschnitt des Konzerts als DVD miteingepackt. Das in HD gefilmte Bild erscheint sauber, auch wenn das Trägermedium den Möglichkeiten mutmaßlich nicht vollständig gerecht wird. Weil Mastodon ohnedies die bessere Studio- als Liveband sind und das Konzert den dokumentierten Bildern nach auch nicht unbedingt von einem rasenden Publikum aufgewertet wird, rotiert hier wenn dann sowieso in erster Linie der Audiomittschnitt als Vorbereitung auf das mit ‚High Road‚ seine Schatten vorwegwerfende ‚Once More Around the Sun‚.

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