Real Estate – Half a Human

von am 27. März 2021 in EP

Real Estate – Half a Human

Hinter der beinahe konfrontativen Artwork-Wahl von Half a Human scheint sich eine weitestgehend diplomatische – oder eher auch zwischen Vergangenheit und Gegenwart mäandernde – Agenda zu verbergen.

Gefühlt suchen die hier versammelten – schon während The Main Thing begonnenen, aber erst in Pandemie-Zeiten via Datenaustausch fertiggestellten – 25 Minuten einen Schulterschluss: Als Aussöhnung mit all jenen Fans, denen die Entwicklung von Real Estate seit dem Ausstieg von Matt Mondanile (hin zu einem im Spannungsfeld der Soloprojekte von Martin Courtney und Julian Lynch wachsenden Einfluss) weniger zusagt; ohne dafür aber den spätestens 2020 auf dem fünften Studioalbum eingeschlagenen Weg zum psychedelischen Folk der 60er und 70er aufgeben zu müssen, obwohl nunmehr keine Assoziationen zu Disco, Air oder Beach House auf der Zunge liegen – dafür darf man im Titelstück an Elliott Smith denken und darüber hinaus noch viel öfter an die Anfänge der Band aus New Jersey.

Nachdem das eröffnete Intro Desire Path (im Kontext einen schlüssigen, stimmungsvollen Start bietend, für sich genommen aber redundant) die Zehen seine oszillierenden Jangle-Indiepop-Trademark-Gitarren absolut bedächtig in ein sphärisches Synthie-Bad stecken lässt, war besagtes nachfolgendes, der EP vorausgeschickte Half a Human ein durchaus adäquater Herold: Der typische Sound von Real Estate ist weich und warm perlend, man orientiert sich am Flair von vor Atlas, doch die Texturen blicken noch mindestens ein halbes Jahrhundert weiter zurück. Das schippert angenehm und einnehmend gefällig, hofiert seine verträumte Melodie mit einem latent spürbareren DIY-Zugang als die direkten Vorgängerproduktionen, friedvoll und so ideal den Frühling begrüßend. Zur Mitte wird das ohnedies entschleunigte Tempo noch weiter ausgebremst, die Nummer fasert aus, tändelt strukturoffen als zwangloser Jam, der sein Grundmotiv über stellar schimmernde Synthies noch einmal zurückholt und damit für Konturen sorgt.
Den selben MO verfolgt In the Garden, das den typischen Bandsound angenehm und entspannt in Erinnerungen an Days treiben lässt, wie ein Instant-Klassiker beginnt. Das Schlagzeugspiel sorgt im Refrain für eine behutsame Dynamik und verliert sich im anachronistisch schimmernden Flimmern eines Keyboards hinten raus ebenfalls in den weiten Räumen eines formlosen Instrumentals, das sich als mäanderne Harmlosigkeit auch sedativ gefällt.

Dazwischen sorgen Soon (aufgeweckter und flotter sind die hibbeligen Drums das markante Rückgrat einer entrückten Fingerübung) und das Quasi-Cover D+ (die Psychedelik tendiert hier nicht nur zur saloonklimpernden Orientalik, durch die Lead Vocals von Alex Bleeker agieren Real Estate auch weiter draußen aus der Komfortzone, ohne in den anaeroben Bereich zu kommen, wenn ein stacksender Groove leger shakend zu schunkeln beginnt) für explizite Facetten, während Ribbon als rekaxt-liebenswürdiger Standard mit seinem an sich ebenfalls wieder in den Jam schweifen wollenden, aber zu abrupten und uninspirierten Ende auch exemplarisch für unbefriedigende Tendenzen steht: Die Harmonien zeigen auf, bringen ihre PS aber nicht auf den Boden. Und während es klar ist, welche Ästhetik Half a Human motiviert, steht der geschärfte Fokus (sofern man dies bei einer derart lockeren Platte überhaupt so nennen sollte) auf die vorteilhaftesten Tendenzen von The Main Thing Real Estate absolut. Nur bleibt das Songwriting dahinter paradoxerweise zu unverbindlich und schwammig, weil sich auch die Performance nicht hemmungslos in den in Aussicht gestellten transzendentalen Rausch stürzen will, der die Grateful Dead-Liebe der Gruppe hier immer wieder andeutet. Ein bisschen so, als würde es der Band an konsequenter Entschlusskraft fehlen, obwohl alleine die grundlegende Klasse und das erzeugte Ambiente diesen Appendix zu einem willkommenen Nachsatz machen.

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