Rancid – Tomorrow Never Comes

von am 7. Juli 2023 in Album

Rancid – Tomorrow Never Comes

Zwanzig Jahre sind seit Indestructible – und damit wohl dem unabänderbar letzten wirklichen Rancid-Klassiker – vergangen. Dennoch: Mehr Instant-Ohrwürmer als auf Tomorrow Never Comes hatte die Punkrock-Institution seit damals nicht zu bieten.

Die Spielfreude passt wie immer, doch die Melodien und Hooks sind diesmal gerade in Summe gesehen griffiger und direkter zündend ausgefallen als auf Honor is All We Know, Trouble Maker und Let the Dominoes Fall – die Bewertung mit der Fanbrille wird insofern noch leichter ausfallen, als auf den direkten Vorgängern, die dennoch eine neue, niedriger angesiedelte Erwartungshaltung an den Output von Rancid etabliert haben.
Das Quartett selbst verschwendet derweil keine Sekunde der insgesamt nur 29 Minuten Gesamtspielzeit und reizen die simple Eingängigkeit ihrer 16 Songs niemals über Gebühr aus, kaschieren durch die Kompaktheit sogar mehr noch die überschaubare Nachhaltigkeit der Kompositionen, die am Stück so auch wie eine nicht wirklich sättigende Sammlung an kleinen, bedingt nahrhaften, aber eben schmackhaften Happen auftreten dürfen, und die Wut und Aggressivität von einst gefällig gegen eine nicht unbedingt vielschichtige, poppige Barrierefreiheit getauscht haben.
Und, auch wenn Rancid weiterhin die einzigen Punkrocker da draußen sind, die es noch können: diesmal keine Ska-Nummer zu bringen ist auch keine Katastrophe.

Die potentiellen Singles geben sich da jedenfalls mit einer bekömmlichen Nonchalance die Klinke in die Hand. Der Titelsong grölt mit skandierendem Background flott seine schiefen Refrain symptomatisch simpel gestrickt den ersten Hit, bevor Devil in Disguise fast schon in Kinderlied-Melodie-Landen wütet und der hymnische Singalong von New American ein ergebenes Gemeinschaftsgefühl provoziert. The Bloody & Violent History poltert süffisant, will nie mehr aus den Gehörgängen, und das kompetent nach vorne ziehende It’s a Road to Righteousness gerät ebenso routiniert frisch wie Drop Dead Inn, wo auch die Zuverlässigkeit von Eddie the Butcher taugt.
Im über die starke Bassspur hinausgehenden Highlight Prisoners Song und dem mit dampfenden Schmiss rockenden Magnificent Rogue wirft Tomorrow Never Comes gar insgeheim Anwärter für die B-Seite der Greatest Hits ab. Zumindest aber zwei neue potentielle Lieblings-Songs der Kombo.

Ohne wirklichen Ausfall füllen Rancid das dazwischen mit tollen Standards: Mud, Blood, & Gold rezitiert als Gruppe erzählend mit Metal-Geschmack; Don’t Make Me Do It ist ein 58 sekündiger, straighter Tritt aufs Gaspedal und Live Forever netter Hedonismus, der niemandem wehtut; One Way Ticket kurbelt exemplarisch einfach gestrickt und latent austauschbar um seinen catchy Chorus, und macht es wie das nicht besonders inspirierte und an trägen Vocals leidende Hellbound Train egal, dass man all das schon besser serviert bekommen hat. Trotzdem: Lies die Tracklist – und du hast dabei spätestens nach dem zweiten Durchgang jeden Song sofort wieder im Ohr.
Nur dass Tomorrow Never Comes mit dem Laune machenden Standards Hear Us Out und When the Smoke Clears etwas unterwältigend endet, droht das zehnte Studioalbum der Kalifornier etwas unter Wert zu verkaufen – sollte es wieder satte sechs Jahre bis zu ihrer Rückkehr dauern, wird man es jedoch sicherlich verkraften.

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