Rammstein – Rammstein
Rammstein machen viel richtig, in dem sie wenig anders machen: Kein Fan wird sich auf der anstehenden Stadiontour darüber beschweren müssen, wenn die brachialen Deutschen neues Material aus ihrem selbstbetitelten Comebackalbum in die Setlist schmuggeln.
Dass sich die deutschen Industrial/NDH/Metal-Experten knapp zehn Jahre Zeit ließen, um ihre Feuerwerfer wieder aus der Garage zu holen war wohl zwingend notwendig. Immerhin wars die Luft über Rosenrot (2005) und Liebe ist für alle da (2009) ja ziemlich draußen.
Rammstein (das Album) erfindet die Tugenden und Schwächen von Rammstein (der Band) nun zwar keineswegs neu – wie es sich für ein standpunktverortendes selbstbetitelten Album gehört – und schrammt sogar immer wieder bewusst an angedeuteten Selbstplagiaten vorbei. Die Platte kommt aber dennoch durchaus frischer und motivierter aus dem Stand, als das nach dem vergangenen Jahrzehnt überhaupt noch möglich schien, und übersetzt all die Trademarks im Signature Sound mit rollenden Rs und Umlauten, kalkulierten Provokationen und herrischen Gesten, pseudo-tabubrechenden Schlagworten und die inhaltlich vorausgesetzte Ambivalenz in ein Brimborium, das die Erbverwaltung im angestammten Hohheitsgebiet mit einer so überraschungsarmen wie kraftvollen Vorhersehbarkeit exakt über der Erwartungshaltung anpackt.
Rammstein fährt also gut damit, auf Nummer Sicher zu gehen und formelhaft aus dem Baukasten heraus agierend als Album aufzutreten, das die Interessen und Vorlieben der loyalen Käuferschichten maßgeschneidert bedient. Und damit eigentlich nur zwei gravierende Probleme hat. Man kennt all das von der Band in der typischen Verortung aufgrund solcher Triumphe wie Sehnsucht, Mutter oder auch noch Reise, Reise einfach schon – und das in deutlich besser, ideenreicher und auch textlich gefährlicher. Dazu verkauft die doch ernüchternd schwache Schlußphase um den kaum relevanten, so effektiven wie ermüdend oft blaugepausten Brecher Tattoo (ein garantierter Zündstoff für künftige Konzerte) und der schlicht bocköden Trägheit Hallomann Rammstein dann doch unter dem bis dahin phasenweise erarbeiteten Wert.
Denn selbst in den generischsten Momenten dieser an sich längst durchgekauten Schablonen bleibt diesmal zwischen vielen Standards eben mehr hängen, als auf den beiden Vorgängern.
Deutschland ist eine sehr solide Single, die erst durch ihr teures Video interessant wird, Radio hat retrofuturistische Synthies als eindimensionale Patina, doch der schunkelnde Ohrwurm-Refrain und das aus der Mottenkiste geholte 0815-Riff haben bei allem Nervpotential sogar noch weniger Halbwertszeit – schade wiederum, dass das an sich tolle Keyboard in Weit Weg nicht den ganzen Song tragen darf, sondern man lieber den immer selben Brutalo-Bratgitarren-Einmalseins vertraut.
Das stumpfe Sex klaut bei Muse, macht aber das beste im Rammstein-Stadion-Kontext daraus und das egale Was ich Liebe bietet zumindest einen melodramatisch-sehnsüchtigen Refrain. Zeig Dich ist davor im Grunde ebenfalls bereits ein ohne Mut aus dem Playbook einstudierter Zug zum Tor, übersetzt den Fanpleaser als Hit aber auch durch seine Chöre mit herrlich megalomanischer Note. Und die obligatorisch Ballade Diamant ist mit ihrer gezupften Gitarre und den keinerlei Individualität von den Arrangements verlangenden Streichern wirklich nett.
Nur Puppe zeigt im Horror-Kontrast aus atmosphärisch ruhiger Strophe und einer manischen Performance im detonierenden Chorus auf, dass Rammstein auch eine Zukunft jenseits der eigenen, durchaus gewissermaßen formvollendet perfektionierten Selbstreproduktion haben könnten. Einstweilen lässt sich mit einer ohne jegliche Euphorie durchwegs befriedigenden Platte allerdings auch so gut leben – selbst wenn diese zumindest vorerst nicht den Eindruck weckt, mittelfristig das Verlangen hochhalten zu können, zu Rammstein abseits einer gewissen Gebrauchsfunktion zurückzukehren.
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